Oswald Metzgers Erben

Gepostet am Donnerstag, den 27. März 2008 um 14:01 in Grundeinkommen,Wirtschafts- und Finanzpolitik

GRÜNE Junge Volkswirte prägen die Ökopartei – eine Perspektive für neue Koalitionen

Von Stephan Balling (Rheinischer Merkur)

Lange stand bei den Grünen ein Name für ökonomischen Sachverstand: Oswald Metzger. Oft lag der Schwabe, der jetzt zur CDU überlief, im heftigen Streit mit seiner Partei. Als die im November ein Programm für höhere Sozialleistungen beschloss, kam es zum endgültigen Bruch. Bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr will der Ex-Grüne nun für die Christdemokraten kandidieren. Bei den Grünen sorgte der Weggang des Juristen zwar eher für Erleichterung. Trotzdem erobern in der Ökopartei nun Ökonomen Schlüsselstellen in der Bundestagsfraktion. Zum Beispiel der habilitierte Volkswirt Wolfgang Strengmann-Kuhn, der gerade in den Bundestag nachrückte und in außenwirtschaftlichen Fragen für die Fraktion spricht. Das Label, unter dem er die Grünen positionieren will, heißt grüne Marktwirtschaft. Er bekennt sich zu einer auf Wettbewerb ausgerichteten Wirtschaftsordnung, sieht aber Eingriffe des Staates als nötig an. „Wir wollen stabile soziale Sicherheit bei flexiblen Arbeitsmärkten und wenden in der Umweltpolitik in erster Linie marktwirtschaftliche Instrumente an“, sagt der 43-Jährige. So will der Vater von zwei Kindern die alte Spaltung der Grünen in Ökosozialisten und Liberale überwinden.

Kompetenz im Strickpulli

Als 17-Jähriger stieß er zur Partei. Er studierte Volkswirtschaftslehre (VWL), um fundierter in wirtschaftspolitischen Fragen argumentieren zu können. „An der Universität habe ich gelernt, grüne Ideen in mathematische Modelle zu verpacken“, sagt der Abgeordnete, der stets ruhig und sachlich argumentiert. Bei Gerhard Schick, dem finanzpolitischen Sprecher der Fraktion, war es umgekehrt. Der Mannheimer Bundestagsabgeordnete studierte zuerst VWL und trat dann in die Partei ein. „Die grünen Ansätze zur ökologischen Finanzreform fand ich aus ökonomischer Sicht sehr überzeugend“, sagt der 36-Jährige. Erste Teile dieser Idee hat seine Partei als Koalitionspartnerin der SPD umgesetzt: Seitdem stabilisieren die Einnahmen aus der Ökosteuer die Beitragssätze zur Rentenversicherung. Schick forschte zu dieser Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walter-Eucken-Institut in Freiburg, das von der CDU-Ikone Ludwig Erhard gegründet wurde und sich bis heute den Vordenkern der Sozialen Marktwirt-, schaft verpflichtet fühlt. Auch die weiteren beruflichen Stationen Schicks sind nicht typisch grün: die Stiftung Marktwirtschaft und die Bertelsmann-Stiftung. Erstere schreibt auf ihrer Internetseite: „Unser Arbeitsmarkt ist blockiert und verhindert Wachstum, die Kosten der sozialen Sicherungssysteme überfordern uns schon heute und staatliche Eingriffe hemmen in vielen Lebensbereichen Dynamik und Eigeninitiative.“ Schick sieht sich mit seinem beruflichen Werdegang aber nicht als Ausnahme in seiner Partei. „In unseren Reihen gibt es viele Unternehmer, Selbstständige, Banker und Volkswirte, die wirtschaftliche Kompetenz haben“, erzählt er. Dass manche davon bei Parteitagen immer noch im Strickpulli auftreten, amüsiert ihn zwar, die Leute und ihre Meinungen dagegen nimmt er sehr ernst. Anders als Oswald Metzger will er ein wirtschaftspolitisches Programm für die Partei entwickeln, nicht gegen sie. „Ich bin nicht Parteimitglied geworden, um als Ökonom die Grünen zu missionieren“, betont Schick, dem auch aUe Türen für eine akademische Laufbahn offenstanden. Aber der smarte Mann im Anzug ohne Krawatte entschied sich dagegen. Genau wie Strengmann-Kuhn. „Sich selber was am Schreibtisch auszudenken ist prima und spannend, aber der Versuch, das dann in die Realität umzusetzen, hat noch mal einen ganz besonderen Reiz“, begründet er den Wechsel von der Wissenschaft in die Politik.

Öko-Bürgergeld mit der CDU

Die Ansichten der beiden Parlamentarier lassen auch Barrieren zur CDU verschwinden. Tatsächlich könnte diese einst in einer Koalition von den ausgearbeiteten Konzepten der Grünen profitieren, ist es doch um den wirtschaftspolitischen Sachverstand in der Unionsfraktion derzeit nicht zum Besten bestellt. Beispiel Landesbanken: Während die Linke und die SPD sich hier zwar zu den Staatsbanken bekennen, aber noch kein klares Konzept entwickelt haben, will die FDP den gesamten öffentlichen Bankensektor inklusive Sparkassen privatisieren. Die Union steht hier zum großen Teil im Widerspruch zu den Liberalen und strebt eine Reform der Landesbanken in öffentlicher Hand an. Bisher fehlt ihr allerdings ein klares Konzept. Die Grünen haben unter Mitarbeit von Gerhard Schick dagegen gerade klare Vorstellungen zur Zukunft der Landesbanken formuliert. Sie wollen ein zentrales Spitzeninstitut für die Sparkassen, das diesen dann auch gehören soll. Beim Mindestlohn bewegt sich die Partei ebenfalls in einem Rahmen, der deutlich entfernt ist von den Vorstellungen der Linken und stark in die Richtung zielt, die auch der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, favorisiert. Auf dem Feld der Sozialpolitik kommen sich die Öko- und die Adenauerpartei immer näher. Bei beiden gibt es starke Strömungen für ein Grundeinkommen. Für diese Idee warb in den 1960er-Jahren schon der liberale Ökonom Milton Friedman, er nannte sein Konzept „negative Einkommenssteuer“. Dabei garantiert der Staat jedem Bürger die Zahlung eines fixen Betrages. Eigene Einkommen reduzieren diesen. Erst vergangene Woche haben Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus und Strengmann-Kuhn im RM ein gemeinsames Konzept präsentiert. Da auch die FDP ein „liberales Bürgergeld“ will, gibt es hier Berührungspunkte für eine Jamaika-Koalition. Doch es gibt auch tiefe Divergenzen. Wenn Strengmann-Kuhn sagt, die Staatsquote in Deutschland sei eher zu gering als zu hoch, lässt das Liberalen und Konservativen das Blut in den Adern gefrieren. Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Wenn höhere Staatsausgaben für Sozialhilfe oder für Bildung mit weniger Regulierung am Arbeitsmarkt einhergehen, kann am Ende die Staatstätigkeit insgesamt sogar sinken. „Wir brauchen keinen schlanken Staat, sondern einen, der handlungsfähig, dabei aber einfach und bürökratiefrei ist“, erklärt Strengmann-Kuhn seine provokante These. Bei der Frage der Kernenergie werden die Positionen freilich noch lange unversöhnlich bleiben. Aber auch hier widerspricht die Argumentationslinie der Grünen nicht der ökonomischen Logik. So gehören Schick und Strengmann-Kuhn zu einer Gruppe von Grünen, die für marktwirtschaftliche Instrumente wie ein Ende der staatlichen Bürgschaften beim Export von Kernreaktoren oder für die Abschaffung der Haftungsbegrenzung bei Atommeilern werben.

Quelle: Rheinischer Merkur, Seite 12 vom 27.03.2008