Die Deutsche Bank, steigende Lebensmittelpreise und was der Hunger in der Welt mit uns zu tun hat
Beitrag in der „Grünfläche“ zu Spekulation mit Agrarrohstoffen
Neulich klebte an meiner Brötchentüte eine Werbepostkarte. „Ein neuer Brötchenbringdienst oder so was“, dachte ich, als ich sah, dass es sich um eine Werbung von der Deutschen Bank handelte: „Freuen Sie sich über steigende Preise? Alle Welt spricht über Rohstoffe – mit dem Agriculture Euro Fonds haben Sie die Möglichkeit an der Wertentwicklung von sieben der wichtigsten Agrarrohstoffe zu partizipieren. Investition in etwas Greifbares.“ Was da harmlos „Wertentwicklung von Agrarrohstoffen“ genannt wird, meint den Anstieg der Lebensmittelpreise und bedeutet für einen großen Teil der Bevölkerung in ärmeren Ländern eine Zunahme des Hungers. Hier werden also Geschäfte auf dem Rücken von hungernden Menschen gemacht. Die weltweite Spekulation mit „Agrarrohstoffen“, also den Kauf von Nahrungsmitteln und dem Verkauf zu höheren Preisen, ist eine wesentliche Ursache für den deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise in der Welt.
Natürlich ist die die Spekulation nicht der einzige Grund für die steigenden Lebensmittelpreise. Es gibt ein ganzes Bündel von Gründen, die zu der aktuellen Hungerkrise geführt haben. Einer ist dabei durchaus positiv, nämlich die ökonomische Entwicklung in vielen Schwellenländern, insbesondere China und Indien. Steigendes Einkommen führt zu einer Zunahme der Nachfrage nach Lebensmitteln und damit der Preise. Mit zunehmendem Wohlstand geht darüber hinaus auch eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten einher. So hat sich insbesondere die Nachfrage nach Fleisch deutlich erhöht. Mittlerweile werden 30% der Agrarflächen für den Anbau von Futtermittel für die Fleischproduktion verwendet.
Neben dem Anstieg der Nachfrage nach Lebensmitteln im Allgemeinen und nach Fleisch im Besonderen, sind bei der Entwicklung der Preise auch angebotsseitige Effekte von Bedeutung. So hat der Klimawandel Auswirkungen auf die Anbaumöglichkeiten, wovon wiederum arme Länder besonders betroffen sind. Eine weiter Ursache der steigenden Preise sind die Agrarsubventionen der Industrienationen. Billige Lebensmittel aus den USA oder Europa haben in den vergangenen Jahren die Märkte in den armen Ländern überschwemmt. Die einheimische Landwirtschaft der armen Länder wurde so zu Grunde gerichtet. Agrarsubventionen müssen deswegen abgebaut werden.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass in steigende Agrarrohstoffpreise auch Chancen liegen, da sich dadurch Produktion von Lebensmitteln in den armen Ländern wieder stärker lohnt. Viele Landwirte in den ärmeren Regionen setzen allerdings mittlerweile auf den Anbau von Energiepflanzen, da sich herumgesprochen hat, dass sich damit höhere Gewinne machen lassen. Zwar werden bisher nur etwa 2% der Nutzflächen dafür verwendet, aufgrund der entstandenen Erwartungen hat die Diskussion um Biosprit aber einen erheblichen Anteil an dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise.
Alles zusammen: die Erwartungen bezüglich der Bedeutung von Agrartreibstoffen, von Biomasse für die Energieversorgung, die zunehmende Nachfrage nach Lebensmittel, insbesondere nach Fleisch bei gleichzeitiger Verknappung der zur Verfügung stehenden Agrarflächen wegen des Klimawandels heizen die Spekulationen und die Nachfrage nach Lebensmitteln als Anlagemöglichkeit an. Das lässt die Lebensmittelpreise noch stärker steigen, wodurch ein Kreislauf in Gang kommt, der eine wesentliche Ursache des jetzt zu beobachtenden Preisanstiegs mit der Konsequenz zunehmenden Hungers ist.
Was tun? Bei der derzeitigen Hungerkrise handelt es sich nicht um eine Naturkatastrophe, sondern um die Folgen einer von Menschen gemachten ökonomischen und politischen Entwicklung, die durch eine Änderung in verschiedenen Politikfeldern verändert werden kann und muss. Eine Regulierung der internationalen Märkte für Agrarprodukte, insbesondere als Anlage- und Spekulationsobjekt, ein Abbau der Agrarsubventionen, eine Politik gegen den Klimawandel, eine Energiepolitik weg vom Öl und eine Förderung der Landwirtschaft in den armen Ländern sind dringend geboten, um die Hungerkrise zu bekämpfen. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass sich die städtische Bevölkerung in Entwicklungsländern – trotz der hohen Preise – die teurer gewordenen Nahrungsmittel leisten kann. Dies kann nur gelingen, wenn auch ärmere Länder ihre Sozialsysteme ausbauen und verbessern. Es kann aber auch jede/r einzelne einen Beitrag dazu leisten, indem weniger oder gar kein Fleisch konsumiert wird, Energie gespart wird, nicht in Lebensmittel-Fonds investiert wird und weniger Auto gefahren wird – egal ob mit Benzin, Diesel oder Biosprit.
Wolfgang Strengmann-Kuhn ist Sprecher für Außenwirtschaftspolitik der Bundestagsfraktion