Pressemitteilung: Energieaußenpolitik. Große Koalition ohne Konzept
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt unter dem Titel „Energie, Sicherheit, Gerechtigkeit“ eine Große Anfrage zur Energieaußenpolitik an die Bundesregierung. Dazu erklärt Jürgen Trittin, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:
Die große Koalition macht viel Wind um Energieaußenpolitik. Tatsächlich ist es ihr aber bis heute nicht gelungen, ein substanzielles Konzept vorzulegen. Die derzeit praktizierte Außenpolitik für Gasrohre und Ölpipelines reicht nicht aus und ist nicht zukunftsfähig. Energie muss in alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, internationaler Klima- und Umweltpolitik sowie Außenwirtschaftspolitik integriert werden und eine globale Energiewende vorantreiben.
Die globalen Herausforderungen des Klimawandels und der Rohstoffkrise, weltweiter Armut und Ausgrenzung, neuen Rüstungswettlaufs und weltweiter nuklearer Aufrüstung sind ohne eine Gesamtstrategie der Energieaußenpolitik nicht zu bewältigen. Unsere Große Anfrage richtet sich auf folgende Bereiche, in denen dringender Handlungsbedarf besteht:
- Öl und Gas ein sind überragender Machtfaktor in der Weltpolitik. Die Abhängigkeit von Öl und Gas schürt Kriege und Konflikte und verhindert erfolgreiche multilaterale Konfliktbearbeitung. Einziger Ausweg ist eine globale Energiewende weg von Öl und Gas.
- Atomkraft ist keine Lösung. Statt eine Partnerschaft für erneuerbare Energien aufzubauen, hat die Bundesregierung den Atomvertrag mit Brasilien verlängert und auch sonst keine Schritte unternommen, um Atomverträge umzuwandeln in moderne Energiepartnerschaften. Nuklearpartnerschaften mit Staaten wie Brasilien, für deren Energiemix Atomkraft keine Rolle spielt, unterstützen den nuklearen Rüstungswettlauf.
- Industriestaaten müssen Verantwortung übernehmen für eine globale Energiewende hin zu den drei E: Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung. Stattdessen pushen die G8-Staaten den Bau von Atomkraftwerken weltweit und konterkarieren das Engagement in den Vereinten Nationen für eine globale Energiewende. In den VN ist klar: Erneuerbare Energien sind gerade für Entwicklungs- und Schwellenländer eine einzigartige Chance.
- In der NATO laufen Verhandlungen über das Mandat im Energiebereich. Aber: Vorausschauende Energieaußenpolitik stärkt krisenpräventive Elemente in allen Politikbereichen und ist strategische Friedenspolitik. Wir brauchen weder eine Energie-NATO noch darf Energieversorgungssicherheit zum Türöffner werden für neokoloniale Politik. Nur eine umfassende zivil-politische Energieaußenpolitik, die auf den Prinzipien weltweiter Energiegerechtigkeit aufbaut, schafft Energiesicherheit.
- Nach Schätzungen der G8-Staaten beläuft sich der voraussichtliche Investitionsbedarf zur Entwicklung klimafreundlicher Energiesysteme bis 2030 auf 20.000 Milliarden US-Dollar. Das heißt: Die Industriestaaten müssen ihre Anstrengungen für Technologietransfer massiv verstärken und die private Wirtschaft weltweit mit ins Boot holen.
- Wirksame globale Energiepolitik braucht durchsetzungskräftige institutionelle Strukturen, die die Interessen von Lieferanten, Transit- und Verbraucherländern zum gegenseitigen Vorteil verknüpfen und deren Regeln für alle verbindlich sind. Daran fehlt es. Der Internationalen Energieagentur (IEA) gehören für den künftigen Energiemarkt entscheidende Staaten nicht an. Der IEA outreach müsste breiter angelegt und von Deutschland und der EU viel stärker politisch flankiert werden. Eine Revision des Energiecharta-Vertrags (ECT) ist überfällig. Foren für Dialog, in denen notwendige Strukturen vorbereitet werden könnten, wie das Internationale Energieforum (IEF) werden dafür nicht hinreichend genutzt.