Wiesbadener Kurier: „Dem Atomkraftgegner von den Lippen gelesen“

Gepostet am Sonntag, den 20. September 2009 um 13:52 in Verschiedenes

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WAHLVERANSTALTUNG Grünen-Basis erlebt einen wortgewaltigen Klaus Traube und sammelt Argumente in der Energiediskussion

Politik findet auch heute noch in Hinterzimmern statt. Wobei im Fall der atompolitischen Wahlveranstaltung der Main-Taunus-Grünen im Nebensälchen des Hofheimer Stadthallen-Restaurants die Öffentlichkeit durchaus gern gesehen war. Türsteher der Parteijugend hatten auch im Freien aufmerksam gemacht, der Weg um die Theke herum war bestens ausgeschildert. Doch Laufkundschaft war nicht vertreten, vielmehr huldigte eine große Anhängerschar der Kultfigur der Anti-Atombewegung, Professor Klaus Traube.

Ein Streitgespräch konnte es da nicht geben, da forderten die Diskussionsredner eher eine Vertiefung der persönlichen Lieblingsargumente aus Expertenmund gegen die Kernkraft ein. Und Bundestagskandidat Wolfgang Strengmann-Kuhn konnte im Endspurt des Bundestagswahlkampfes konstatieren, dass die Grünen im Main-Taunus-Kreis eine ausgesprochen breite Basis haben.

Langeweile kam aber nicht auf. Dafür sorgte der Referent, mit 81 Jahren gerade von einer Leistenoperation rekonvaleszierend ein agiler Streiter gegen die Kernkraft, bemüht die Zuhörerschaft mit Daten und Hintergründen zu konfrontieren, die sie nicht schon auswendig im Schlaf aufsagen konnten. Und an Argumentationshilfen waren die Grünen brennend interessiert, wunderte sich doch ein Fragesteller, dass zwei Drittel der Bevölkerung laut Umfragegen gegen die Kernkraft seien, die Stromindustrie dennoch auf einen Wahlsieg von Union und FDP setze, weil dann ein Aufheben der Stilllegungsbeschlüsse für Atomkraftwerke erreicht werden könne. Mit längeren Reparatur- und Wartungsphasen sei dabei der Abschalttermin für manch alten Atommeiler bis nach dem Tag der Bundestagswahl hinausgeschoben worden.

Klaus Traube war einst vom Saulus zum Paulus geworden. Nach dem Krieg startete er eine steile Karriere in der Atomindustrie, war verantwortlich für die Entwicklung und den Bau des „Schnellen Brüters“ in Kalkar. In die Schlagzeilen geriet Traube, als er 1976 prominentes Opfer eines staatlichen „Lauschangriffes“ wurde. Fortan prangerte er als Atomkritiker die Schwächen und Risiken der Kerntechnik an, wurde als Professor an die Gesamthochschule Kassel berufen, dann an die Universität Bremen, wurde später unter anderem energiepolitischer Sprecher des BUND oder Gründer des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung.

Für seinen Vortrag in der Main-Taunus-Kreisstadt hat er mit Akribie Zahlen und Fakten zusammengetragen zum Beleg dafür, dass Kernenergie nur „marginale Potenziale“ besitze, gleichzeitig aber eine unverantwortliche Bedrohung darstelle, wie das Beispiel Tschernobyl 1986 gezeigt habe. Zur Bedrohung durch die Kernkraftwerke kämen noch die Gefahren der Uran-Förderung hinzu. Aus Uranerz werde nur ein Prozent Uran gewonnen, 99 Prozent seien giftige Abraumschlämme.

Wesentlich effektiver als Kernkraftwerke seien Anlagen, die mit Gas Strom erzeugten. Und der Anteil erneuerbarer Energien wachse ständig. Ein „intelligenter Mix“ verschiedener Systeme mache bei der Stromerzeugung die Kernkraft eigentlich schon heute überflüssig.

© Werner Stoepler / Wiesbadener Kurier