Höchster Kreisblatt: „Vorbild: Finnland, nicht Bayern“

Gepostet am Montag, den 21. September 2009 um 16:48 in Verschiedenes
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Zur Diskussion mit den DirektkandidatInnen des WK 181 in Eschborn am 18.9.09

Das Thema Bildung stand ganz oben – Disziplinierte Diskussion über die klassischen Themen

Eine gute Woche vor der Bundestagswahl fühlten die Oberstufenschüler des Kleist-Gymnasiums den Bundestagskandidaten des Wahlkreises 181 (Main-Taunus sowie Kronberg, Steinbach und Königstein) auf den Zahn.
Die fünf Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien ließen sich nicht lange bitten, standen allesamt Rede und Antwort. Die von Schulsprecherin Nadine Hergesheimer und Oberstudienrätin Regine Schütz moderierte Veranstaltung war von den Schülern in ihren Leistungskursen hervorragend vorbereitet worden. Die drei zentralen Themen – Bildung, Wirtschaft und Afghanistan – wurden jeweils mit Fakten präsentiert, ehe die Kandidaten Stellung beziehen konnten. Die rund 350 Schüler, deren Bereitschaft zur Teilnahme mit sanftem Druck seitens der Schule verstärkt worden war, begleiteten die Einlassungen des Podiums stets mit freundlichem Beifall, Pfiffe während der über zwei Stunden dauernden Befragung gab es überhaupt nicht. So konnte man die Haltung der Schüler nur am unterschiedlich lautstarken Beifall für den jeweiligen Politiker ablesen, wobei den größten Applaus allerdings ein Redner aus dem Plenum erhielt, der FDP-Vertreterin Bettina Stark-Watzinger mit den Worten attackierte: «Sie sind vor dem Unternehmer, Sie sind nicht vor dem Volk.»

Natürlich war für die Schüler das Thema Bildung vorrangig. «Geld für Autos zu verschrotten ist da, aber bei den Ausgaben für die Bildung liegt Deutschland im hinteren Feld», klagten etwa die Schüler und sprachen weiter «von sehr geringen Chancen» für arme Kinder aus niedrigen Schichten. Bei den Antworten der Kandidaten sprach sich die konservative Seite mit Heinz Riesenhuber (CDU) und Stark-Watzinger für die Beibeihaltung des gegliederten Schulsystems aus. Gerade darin sahen jeden Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne), Nicole Ritter (SPD) und Fritz-Walter Hornung (Die Linke) die Ursache allen Übels. Strengmann-Kuhn etwa machte sich stark «gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse, forderte weiter die Abschaffung jeglicher Studiengebühren und ein kostenloses Mittagessen an den Schulen». Für Ritter ist «Bildung ein Menschenrecht». Sie will die Spitzensteuersätze für Bestverdiener um zwei Prozent erhöhen «und dieses Geld direkt in die Bildung stecken». Hornung plädierte ebenso dafür, sich von der frühen Separierung zu verabschieden, bezeichnete im Übrigen die Abwrackprämie als «wirtschaftlichen Humbug».

Abwrackprämie: Flop

Aus dem Publikum hielt der Eschborner Bernhard Reiser dagegen, der mit der Abschaffung der frühen Selektierung eine «Niveausenkung» befürchtet, außerdem das bayerische Schulsystem lobte. «Das Vorbild ist nicht Bayern, sondern Finnland», antwortet Strengmann-Kuhn und Ritter assistierte: «Die Selektierung ist nicht mehr zeitgemäß.» Unterstützung für Reiser gab es dagegen von Riesenhuber, der sich auf europäische Statistiken berief. «Die OECD-Zahlen belegen, dass die Länder mit gegliedertem Schulsystem besser abschneiden», erklärte der Mann mit der Fliege. Stark-Watzinger schloss sich da gerne an. Ungeachtet aller unterschiedlicher Positionen auf dem Podium war man sich doch weitgehend einig darüber, dass die Abwrackprämie eher in die Kategorie «Flop» einzuordnen ist.

Beim Thema Wirtschaft wurde über die generelle Einführung von Mindestlöhnen gestritten, wofür sich Grüne, SPD und Linke aussprachen, CDU und FDP mochten da nicht mitziehen. Einig war man sich dann wieder darüber, dass man der Wirtschafts- und Finanzwelt Regeln auferlegen müsse, um eine Wiederholung der jetzigen Krise zu vermeiden. «Den Marktradikalismus stoppen», forderte Hornung und selbst der «Industriemann» Riesenhuber plädierte «gegen hohe Boni für Pleite-Manager».

Beim angesichts der jüngsten Ereignisse ganz aktuellen Thema Afghanistan war nur Hornung («Krieg löst keine Probleme») für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus dem Land am Hindukusch. Alle anderen sprachen sich in Varianten dafür aus, so lange zu bleiben, bis der zivile Aufbau des Landes gelungen ist. Strengmann-Kuhn schränkte allerdings ein: «So, wie es jetzt läuft, darf es nicht weitergehen.»

© Hans Schrönghammer / FNP