Positionspapier der Grünen Bundestagsfraktion zur Rente mit 67

Gepostet am Mittwoch, den 1. Dezember 2010 um 15:08 in Altersarmut,Alterssicherung,Rente mit 67

Rente mit 67 – Voraussetzungen schaffen

Mehr Beschäftigung statt Rentenkürzung –
fließende Übergänge in den Ruhestand ermöglichen –
Schutz vor Altersarmut durch Mindestlohn und Garantierente

Positionspapier der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

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Die Menschen hierzulande erreichen ein immer höheres Lebensalter. Nach den jüngsten Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bis zum Jahr 2030 um weitere drei Jahre steigen. Und nicht nur das: Die Menschen leben nicht nur länger, sie bleiben auch länger gesund. Das sind gute Nachrichten. Sie stellen Gesellschaft und Rentenversicherung aber auch vor große Herausforderungen: Steigende Lebenserwartungen und sinkende Geburtenraten führen dazu, dass sich das Zahlenverhältnis der Alten zu den Jungen in den nächsten Jahrzehnten erheblich verändern wird. Wir werden mehr ältere Menschen haben und zugleich weniger junge. Renten werden nicht nur für mehr Rentner, sondern auch für längere Dauer gezahlt werden müssen. Schon zwischen 1960 und 2008 haben sich die Rentenbezugszeiten von knapp 10 auf 18 Jahre verlängert.

Es braucht also Reformen, damit unser Alterssicherungssystem auch unter den sich verändernden Bedingungen nachhaltig finanzierbar bleibt und vor Armut schützt. Die Rente muss auch für die junge Generation verlässlich und glaubwürdig sein. Dabei müssen wir darauf achten, dass Belastungen generationengerecht verteilt werden – zwischen den heutigen und zukünftigen BeitragszahlerInnen ebenso wie zwischen den aktuellen und zukünftigen RentenbezieherInnen. Eine gerechte Rentenreform stellt außerdem sicher, dass bei der Rentenberechnung die Verschiedenheit der Lebens- und Erwerbsbiografien besser als bisher berücksichtigt wird.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit sinnvoll, weil sie die Rentenversicherung doppelt entlastet: durch höhere Einnahmen einerseits und durch geringere Ausgaben andererseits.

Jenseits der volkswirtschaftlichen Wirkungen sehen wir in der Verlängerung der Lebensarbeitszeit aber auch Chancen für die einzelnen Menschen. Arbeit ist mehr als Existenzsicherung; sie ist auch Teilhabe und gewährt Jung und Alt gleichermaßen Entfaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten. Viele Menschen können und wollen auch im Alter tätig sein. Dafür müssen der Arbeitsmarkt und die Alterssicherung Antworten bieten, die der Vielfalt der individuellen Lebensentwürfe und Vorstellungen gerecht werden. Die Erhöhung der Regelaltersgrenze ist nur dann das geeignete Instrument, wenn wirklich die Lebensarbeitszeit verlängert wird, und nicht Arbeitslosigkeit im Alter.

Das Stichwort «Rente mit 67» löst vielfach Ängste aus, die wir sehr ernst nehmen. Unter den heutigen Arbeitsbedingungen ist es für viele Menschen kaum vorstellbar, bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten, geschweige denn bis zum 67. Lebensjahr. Arbeit macht viele Menschen krank, immer mehr auch durch die Zunahme von Stress und psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Deswegen sind bessere Arbeitsbedingungen für alle eine unverzichtbare Voraussetzung, um länger arbeiten zu können. Für einen erfolgreichen längeren Verbleib im Arbeitsmarkt ist der Gesundheitszustand ausschlaggebend. Deshalb müssen Arbeitsförderung und Gesundheitsförderung eng miteinander verzahnt werden. Insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in gesundheitlich belastenden Berufen brauchen wir sozialverträgliche Lösungen, die einen früheren Ausstieg oder einen fließenden Übergang in die Rente ermöglichen.

Die Erwerbsquote der Älteren steigt zwar stark an, ist aber immer noch gering, besonders bei Frauen. Zudem sagt die Erwerbsquote alleine noch nicht viel aus, vielmehr kommt es auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung an. Wenn die Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht zur Rentenkürzung durch die Hintertür werden soll, dann ist ein Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Älteren unabdingbar. Wir verstehen die Rente mit 67 als unbedingte Aufforderung an die Unternehmen, mehr zu tun für altersgerechte Arbeitszeitmodelle und Arbeitsplätze sowie für kontinuierliche Weiterbildung und Qualifizierung auch der älteren Belegschaft. Die zunehmende Flexibilität des Arbeitsmarkts hat es vielen Menschen ermöglicht, einen Arbeitsplatz zu finden. Politik ist bei diesem Ansinnen aber über das Ziel hinausgeschossen. Die Anzeichen sind deutlich: die Ausweitung des Niedriglohnsektors, zunehmende Leiharbeit, fehlende Mindestlöhne und die drastische Ausweitung befristeter Beschäftigung, unterbrochene Erwerbsbiographien. Gerade auch Jüngere werden im Vergleich zu Älteren keine wirklich bessere Bilanz der erwerbsbiografischen Belastung aufweisen, sofern sie lange prekäre Berufseinstiege und in der Folge auch lückenhafte Versicherungbiografien haben. Gute Arbeit sieht anders aus. Diese Faktoren verunsichern die Menschen schon heute und verursachen die Altersarmut von morgen.

Überdurchschnittlich hohe Renten beziehen momentan vor allem Männer in ununterbrochener Erwerbstätigkeit in Vollbeschäftigung. Viele Frauen haben in der Vergangenheit diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die längere Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zugunsten von Kindererziehung und Pflege von Angehörigen reduziert die eigenen Rentenansprüche für Frauen zum Teil erheblich. Sie sind zudem überdurchschnittlich oft in Teilzeit oder im Niedriglohnsektor beschäftigt, der Lohnabstand zu Männern liegt auch bei gleicher Bildung immer noch über 20 Prozent. Die unterschiedlichen Belastungen von Männern und Frauen müssen viel stärker als bisher angegangen werden, wenn wir eine flexible Erhöhung der Lebensarbeitszeit ins Auge fassen. Es darf nicht vergessen werden, dass körperliche Belastungen am Arbeitsplatz nicht nur Dachdecker oder Bauarbeiter, sondern auch Frauen betreffen. Auch Verkäuferinnen, Sekretärinnen, Putzfrauen, Krankenschwestern oder Beschäftigte mit formal niedriger Qualifizierung müssen oft harte körperliche oder psychisch belastende Arbeit leisten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es nach wie vor Frauen sind, die den größten Teil der Hausarbeit, der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen übernehmen – häufig neben einer Erwerbstätigkeit.

Wir wollen Möglichkeiten schaffen, damit diejenigen, die zu längerer Beschäftigung fähig sind, weil sie gute Arbeitsbedingungen haben und gesund sind, auch tatsächlich länger arbeiten können. Institutionelle Schranken, die dem im Wege stehen, wollen wir beseitigen. Den anderen, für die diese Voraussetzungen nicht gelten, müssen Wege offen stehen, früher in Rente zu gehen, ohne dass die Altersarmut steigt. Wir wollen deswegen eine abschlagfreie Erwerbsminderungsrente ab 63 Jahren, die Möglichkeit einer Teilrente ab 60 Jahren und eine Garantierente einführen, die wirksam vor Armut schützt.

Wir halten die schrittweise Erhöhung der Regelaltersgrenze für notwendig und deshalb halten wir an dem
Fahrplan für die Rente mit 67 fest. Sie ist aber nur vertretbar, wenn sie flankiert wird durch Verbesserungen beim Arbeitsschutz, bei der betrieblichen Gesundheitsförderung und durch arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen. Damit wollen wir längere Beschäftigungen ermöglichen, eine Rentenkürzung durch die Hintertür verhindern, fließende Übergänge in den Ruhestand schaffen und Armut im Alter verhindern. Wir werden im Rahmen der vierjährigen Berichtspflicht zur Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig prüfen, ob sich unsere Bedingungen für die Erhöhung der Regelaltersgrenze erfüllen und daraus entsprechende Konsequenzen ziehen. Beim nächsten Bericht 2014 gilt es, Erfahrungen mit der ersten Stufe der Verlängerung der Regelaltersgrenze zu berücksichtigen.

Mehr Beschäftigung statt Rentenkürzung

Die Erhöhung der Regelaltersgrenze muss mit reellen Chancen einhergehen, bis zum Alter von 67 Jahren auch arbeiten zu können. Statt abzuwarten, bis der Arbeitsmarkt ausreichend sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zur Verfügung stellt, müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden. Dabei ist nicht nur die Politik gefragt, auch in den Betrieben muss sich die Kultur der Altersarbeit noch entscheidend verändern.

Die niedrigen Beschäftigungsquoten Älterer in Deutschland sind kein Schicksal, sondern haben klar benennbare Ursachen: Über Jahrzehnte wurden ältere Beschäftigte frühzeitig und häufig gegen ihren Willen aus ihren Jobs gedrängt. Noch immer werden bereits 50-Jährige als zu alt für das Erwerbsleben eingestuft und systematisch ausgesteuert. Unternehmen und Gesellschaft haben sich hierzulande erst spät auf eine älter werdende Erwerbsgesellschaft eingerichtet. Entsprechend hoch sind nach wie vor die Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit Älterer. Es wird weiterer großer Anstrengungen bedürfen, um hier einen grundlegenden Wandel zu erreichen.

Auch wenn in Deutschland bereits eine Trendwende eingesetzt hat und die Erwerbsquoten Älterer und der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 60 Jahren seit 2000 kontinuierlich gestiegen sind, ist ihr Anteil immer noch zu gering. 2008 waren lediglich 21,5% der 60- bis 64-Jährigen und sogar nur 9,9% der 64-Jährigen sozialversichert beschäftigt. Die Stärken und Potenziale des Alters werden in unserer Gesellschaft gegenwärtig noch nicht in ausreichendem Maße erkannt, gefördert und genutzt. Berufliche Weiterbildung, alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze sowie Gesundheitsförderung sind daher das Gebot der Stunde.

Weiterbildung und Qualifizierung

Geringe und veraltete Qualifikationen sind ein Grund dafür, dass ältere Arbeitslose besondere Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden. Trotzdem nehmen sie sowohl in Unternehmen als auch im Falle der Arbeitslosigkeit nur unterproportional an Qualifizierungsmaßnahmen und Weiterbildungen teil. Dazu trägt auch das Bildungsgutschein-System der Arbeitsförderung bei, das vor allem Ältere, Geringqualifizierte und MigrantInnen außen vor lässt.

Forderungen und Vorschläge:

• 1 Million Menschen in Deutschland sollen bis 2013 zusätzlich von einer Ausweitung der Weiterbildungsmaßnahmen profitieren, sei es in Beschäftigung oder bei Arbeitslosigkeit. Dafür muss die Förderung von Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen über das SGB II und das SGB III mehr als bisher auf Ältere und Geringqualifizierte zugeschnitten und die Anzahl der Angebote massiv erhöht werden. Erforderlich dafür ist die Umsteuerung von Mitteln in der Arbeitsförderung, zum Beispiel von den Ein-Euro-Jobs in Qualifizierung sowie die Rücknahme der von der Bundesregierung geplanten Kürzungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
• Die Tarifpartner stehen in der Verantwortung, das Thema Weiterbildung mehr als bislang in die betriebliche Praxis zu integrieren. Mit dieser und anderen Maßnahmen kann den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnet werden.

Beschäftigungsförderung für Ältere

Über Maßnahmen der Weiterbildung und Qualifizierung hinaus gibt es eine Vielzahl von Förderungen, die Anreize zur Beschäftigung von Älteren setzen sollen. Ein Anstieg der Beschäftigung alleine reicht aber nicht aus, vielmehr kommt es auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung an. Die Angebote sind intransparent, häufig deckungsgleich mit anderen Instrumenten und zum Teil von bescheidenem Nutzen. Altersdiskriminierung ist auch heute noch weit verbreitet – auch in Personalbüros. Die Leistungsfähigkeit und Bedürfnisse Älterer werden häufig falsch eingeschätzt.

Forderungen und Vorschläge:

• Die angekündigte Evaluierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente muss genutzt werden, um die wirkungsvollen Maßnahmen zu stärken und den Instrumentenkasten insgesamt übersichtlicher zu machen.
• Allen Langzeitarbeitslosen, die in Deutschland auf absehbare Zeit keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben – unter ihnen auch viele Ältere – wollen wir mit dem sozialen Arbeitsmarkt zu einer langfristigen Perspektive verhelfen, ohne das Ziel ihrer Integration in den ersten Arbeitsmarkt aufzugeben.
• Wir wollen zusammen mit den Sozialpartnern eine Informationskampagne für ArbeitgeberInnen starten, welche die besonderen Potenziale und Kompetenzen älterer Beschäftigter hervorhebt.
• Führungskräfte und ArbeitsvermittlerInnen sollen durch Schulungsangebote mit Instrumenten der altersspezifischen Personalentwicklung vertraut gemacht werden.

Gute Arbeit

Die Arbeitsbedingungen vieler Beschäftigter führen zu ausgeprägten gesundheitlichen Belastungen, die eine längere Lebensarbeitszeit erschweren. Dies sind insbesondere steigende mentale Belastungen durch erhöhte Verantwortung, geringe Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte, einseitige körperliche Beanspruchung ohne ausreichende Ruhepausen und Entlastungsmöglichkeiten, aber auch Stress, Verunsicherung und Entwertung des eigenen Arbeitsvermögens durch lange Phasen von atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Eine Gesellschaft, die die Herausforderung der Alterung bewältigen muss und die von der Bevölkerung eine längere Lebensarbeitszeit als in den letzten zwanzig Jahren erwartet, darf den erhöhten Verschleiß von Beschäftigten nicht weiterhin in Kauf nehmen.

Das Leitbild einer flexibel und umfassend einsetzbaren ArbeitnehmerIn wird häufig den gesundheitlichen Belastungsgrenzen besonders der älteren ArbeitnehmerInnen nicht gerecht. Gesundheit – auch in der Arbeit – ist ein Menschenrecht, nicht nur mit Blick auf das Rentenalter, sondern auch mit Blick auf ein gesundes Leben im Ruhestand. Gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen sind eine Grundvoraussetzung, damit Beschäftigte ihre Potenziale entfalten und langfristig ihre Arbeitskraft erhalten können. Hier werden Frauen oft vernachlässigt. Von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung werden Frauen kaum erreicht. Je nach Betriebsgröße richten sich nur 7,5 bis 10,1 % der Maßnahmen gezielt an Frauen.

Es gilt, Arbeit, Arbeitsinhalte und Arbeitszeiten alters- und alternsgerecht zu gestalten, so dass Ältere ihre vorhandenen Potenziale und Kompetenzen optimal einbringen können. Betriebliche Gesundheitsförderung, ein strategisches Personalmanagement inklusive langfristig angelegter Karrierepläne und eine passgenaue Arbeitsplatzgestaltung sind dafür wichtige Eckpunkte. Um die Beschäftigten länger in den Arbeitsprozess einbinden zu können, müssen die Unternehmen die Arbeit für ältere ArbeitnehmerInnen der geänderten Leistungsfähigkeit anpassen. Dabei geht es weniger um völlig neue Arbeitsumgebungen, denn viele ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten ihr gewohntes Umfeld behalten.

Um länger arbeiten zu können, sollten ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in stärkeren Maße selbst bestimmen können, wie sie eine Aufgabe erledigen, mit welchen Arbeitsmitteln sie arbeiten, wann sie eine Pause einlegen, wie viel sie arbeiten und zu welcher Zeit sie welche Aufgabe erledigen. Zudem ist eine stärkere Abwechslung bei der Tätigkeit wichtig, um einseitige körperliche und geistige Arbeiten zu vermeiden. Wo immer möglich, sollte die Arbeit in Gruppen ausgebaut werden, die wechselnde Aufgabenverteilungen erlauben.

Forderungen und Vorschläge:

• Es bedarf weiterer Anstrengungen, um das Instrument des betrieblichen Eingliederungsmanagements in sämtlichen Betrieben zur Anwendung zu bringen. Beschäftigte, die auf Grund ihres Alters, eines Unfalls oder einer Krankheit ihrer regulären Arbeit nicht mehr in gewohntem Maße nachkommen können, benötigen auf sie zugeschnittene Arbeitsbedingungen, Hilfsmittel bzw. Assistenz.
• Die gesetzlichen Vorgaben des Arbeitsschutzes müssen ausgebaut und besser kontrolliert werden.
• Die Sozialversicherungen sind aufgefordert, neue Beratungs- und Unterstützungsstrukturen zu entwickeln, um insbesondere kleine und mittelständische Betriebe bei der alternsgerechten Personalplanung zu begleiten.
• Maßnahmen zur Stressreduzierung am Arbeitsplatz müssen konsequent verfolgt werden. Betriebliche Gesundheitsförderung darf sich nicht nur auf Rückenschulungen und Angebote zur individuellen Stressbewältigung beschränken sondern muss sich den Herausforderungen eines immer komplexer werdenden Erwerbsarbeitslebens stellen.
• Die EU-Arbeitsschutzrichtlinie zur Stressprävention am Arbeitsplatz muss in einer nationalen Strategie umgesetzt werden. Berufsgenossenschaften, Krankenkassen und Betriebe müssen hier an einem Strang ziehen.
• Die Möglichkeiten für ältere ArbeitnehmerInnen, ihre Arbeitszeit selbstbestimmter zu gestalten, müssen weiterentwickelt und ausgebaut werden. Langzeitkonten, Teilzeitoptionen oder temporäre Freistellungen können vielen Beschäftigten die Möglichkeit eröffnen, sich weiterzubilden, sich zu erholen oder sich beruflich neu zu orientieren. Notwendig dafür sind attraktivere und besser als bisher geschützte Zeitkontenmodelle. Das Recht auf Teilzeit muss um ein Recht auf die Rückkehr in eine Vollzeitbeschäftigung erweitert werden.
• Langzeitkonten müssen attraktiver werden. Sie sollen sowohl im Falle von Unternehmensinsolvenzen als auch im Falle individueller Hilfebedürftigkeit sicher sein. ArbeitnehmerInnen müssen in Abstimmung mit betrieblichen Belangen über ihre Guthaben frei verfügen können.

Fließende Übergänge in den Ruhestand

Alterung ist individuell sehr unterschiedlich. Manche Menschen können mit 60 nicht mehr arbeiten, andere sind körperlich fit genug, auch mit über 70 Jahren noch voll im Erwerbsleben zu stehen und wollen das auch. Viele Menschen wünschen sich einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Es bedarf flexibler Modelle, die den unterschiedlichen Lebensplanungen und -verläufen der Menschen gerecht werden. Die Anhebung der Regelaltersgrenze für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente durch die große Koalition war ein großer Fehler, der rückgängig gemacht werden muss. Auch wer nicht als erwerbsgemindert anerkannt ist, sollte vorzeitig in Rente gehen können. In Zukunft wird es aber nach heute geltender Rechtslage nur wenige Gruppen geben, die überhaupt vor dem 67. Lebensjahr eine Rente beziehen können: Wer 35 Versicherungsjahre hinter sich hat, darf nach wie vor ab 63 Jahren in Rente gehen, allerdings unter Inkaufnahme von Abschlägen, und wer 45 Versicherungsjahre hat, darf mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente.
Wir wollen älteren Menschen mehr Selbstbestimmung ermöglichen: Sie sollen entsprechend ihrer individuellen Situation Erwerbstätigkeit und Rentenbezug freier als bisher kombinieren können. Die skandinavischen Länder haben damit gute Erfahrungen gemacht: Die Menschen dort arbeiten im Durchschnitt länger, aber nicht unbedingt Vollzeit. Das Motto wäre also: Länger arbeiten, aber weniger.

Forderungen und Vorschläge

• Teilrente ab dem 60. Lebensjahr bei Verringerung der Arbeitszeit. In der verbleibenden Arbeitszeit sind die Beschäftigten weiterhin uneingeschränkt versichert und können weiterhin Rentenansprüche aufbauen. Die Hinzuverdienstgrenzen sollen transparenter gestaltet und insbesondere für Geringverdienende verbessert werden. Verbesserung der Attraktivität der Teilrente für Menschen jenseits der Regelaltersgrenze, um einen längeren Verbleib in Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Für die Teilrente werden versicherungsmathematisch korrekte Rentenabschläge erhoben bzw. -zuschläge gezahlt.
• Rücknahme der Erhöhung der Regelaltersgrenze von 63 auf 65 Jahre für den abschlagsfreien Bezug einer Erwerbsminderungsrente und der Rente wegen Schwerbehinderung. Wir wollen die Abschläge sowie u.a. die Zurechnungszeiten in der Erwerbsminderungsrente kritisch überprüfen.
• Die Möglichkeit zum Bezug einer Altersrente ab 60 Jahren mit versicherungsmathematisch korrekten Abschlägen. Dabei muss ausgeschlossen werden, dass erwerbsfähige Arbeitslose im SGB II-Bezug zwangsverrentet werden können.
• Die Tarifparteien sind aufgefordert, tragfähige Konzepte zu entwickeln, die für Ihre Beschäftigten flexiblere Rentenübergänge möglich machen.

Schutz vor Armut im Alter – Garantierente

Die Anhebung der Regelaltersgrenze wird nur dann gesellschaftlich akzeptiert werden, wenn sichergestellt ist, dass Menschen, nach den aktiven Jahren nicht ein Leben in Armut führen müssen. Die Anhebung der Regelaltersgrenze darf nicht dazu führen, dass die Altersarmut steigt. Altersarmut ist besonders gravierend, weil kaum eine Möglichkeit besteht, diese Situation aus eigener Kraft zu überwinden. Mit der grünen Garantierente können sich die Menschen darauf verlassen, als langjährig Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen zu sein – samt einer Bedürftigkeitsprüfung und samt Auflösung getätigter Vorsorge.

Um der drohenden Altersarmut zu begegnen, bedarf es einer Alterssicherung, die für Bürger und Bürgerinnen einen besseren Schutz vor Altersarmut schafft. Dabei ist allen Menschen die Möglichkeit zu geben ausreichende eigene Ansprüche innerhalb der Rentenversicherung aufzubauen. Das gilt auch für Personen mit unterbrochenen Erwerbsbiographien, Arbeitslose und Selbstständige.

Die Voraussetzungen, bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten zu können, sind bei den Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Nicht alle haben die Möglichkeit dazu. Das können am Bau Beschäftigte genauso wie Pflegekräfte sein. Auch eine Doppelbelastung aus Familie und Erwerbsarbeit, von der vor allem Frauen betroffen sind, kann dazu führen, dass eine Erwerbstätigkeit mit 67 nicht möglich ist.

Für diejenigen, die nicht bis zum Alter von 67 arbeiten können, bedeutet die Erhöhung der Regelaltersgrenze eine Rentenkürzung. Altersarmut und Grundsicherungsbezug darf aber für Menschen, die langjährig versichert waren, keine Perspektive sein. Deshalb brauchen wir eine Garantierente. Sie käme insbesondere Frauen zugute.
Altersarmut muss effektiv bekämpft werden. Ohne ein konsequentes Gegensteuern, wird allen Prognosen entsprechend, Altersarmut in den nächsten Jahren stark ansteigen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Dazu zählt, etwa, dass unterbrochene Erwerbsbiographien zunehmen, der Niedriglohnsektor ausgeweitet wird und die Zahl von Selbständigen und Freiberuflern wächst, die über ein geringes Einkommen und über keine oder nur eine unzureichende Alterssicherung verfügen. Wenn es nicht gelingt, Altersarmut zu bekämpfen, werden in den nächsten Jahren immer mehr Menschen die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen. Damit landen die Kosten der Altersarmut auch bei den Kommunen. Wir wollen hingegen die Kommunen deutlich entlasten, indem wir den Bezug von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung reduzieren. Dazu ist nicht nur die Garantierente wichtig, durch die geringe Rentenansprüche im Nachhinein aufgestockt werden. Es müssen auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Menschen möglichst ausreichende Ansprüche in der Rentenversicherung durch Beitragszahlungen aufbauen können. Dadurch können langfristig die Kosten der Garantierente begrenzt werden. Dazu gehört unter anderem die schrittweise Weiterentwicklung der Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung.

Forderungen und Vorschläge

• Durch die Einführung einer Garantierente für langjährig Versicherte als Teil der Rentenversicherung werden geringe Rentenansprüche auf ein Mindestniveau aufgestockt, das über dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau liegt. Wir werden im nächsten Jahr ein ausgearbeitetes Konzept dazu vorlegen.
• Frauen sollen durch ein eigenständiges Rentensplitting höhere Ansprüche erwerben. Die Witwenrente wird in dem Maße reduziert, wie eigenständige Rentenanwartschaften von Frauen aufgebaut werden.
• Der Niedriglohnsektor muss verringert werden, insbesondere durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns.

• Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind einzudämmen.