Rede zur Einsetzung einer Kommission zur Bekämpfung von Altersarmut am 17.3.2011

Gepostet am Sonntag, den 20. März 2011 um 13:58 in Altersarmut,Alterssicherung,Armut/ Grundsicherung

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN):
Ich begrüße, dass die Bundesregierung mit der Einberufung der Altersarmutskommission das Problem der Altersarmut anerkennt. Das ist ein notwendiger Schritt, um endlich auch zu einer Diskussion über Maßnahmen gegen Altersarmut zu kommen.

Ich begrüße, dass die Bundesregierung mit der Kommission das Problem der Altersarmut endlich anerkennt, auch wenn einige aus den Regierungsfraktionen das Problem offenbar immer noch kleinreden.

Ich begrüße, dass die Bundesregierung eine Altersarmutskommission einsetzt, auch wenn ich Zweifel habe, wie ernst die Bundesregierung ihr Engagement auf diesem Gebiet meint. Ich darf nur daran erinnern, dass dieselbe Bundesregierung gerade im letzten Jahr beschlossen hat, die Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu streichen. Das wird unweigerlich zu mehr Altersarmut führen.

Und ich muss auch daran erinnern, wie die Bundesregierung derzeit agiert bezüglich der EU-2020-Strategie zur Reduzierung der Armut. Die Bundesregierung ist offenbar nicht bereit, ihren fairen Anteil an dem anvisierten Ziel einer Reduzierung der Armut in Europa um 20 Millionen zu leisten.

Dies alles lässt mich zweifeln, wie ernst der Bundesregierung ihr Engagement gegen Altersarmut ist.

Ich bekomme allerdings auch Zweifel, wenn ich den Antrag der Fraktion Die Linke lese, den wir heute verhandeln. Was mich stutzen lässt, ist, dass die in dem Antrag zuerst genannte Forderung die nach einem Vorschlag der Kommission für die Lebensstandardsicherung ist. Ich finde das bemerkenswert, wo es bei der Kommission doch explizit um die Bekämpfung der Altersarmut gehen soll. Eine Rentenpolitik, die sich dem Ziel der Lebensstandardsicherung verschreibt, kann für einen Teil der Rentner eine Antwort auf die drohende Altersarmut sein. Klar ist aber auch, dass bei einer solchen Strategie viele herausfallen und im Alter arm sein werden. Ich möchte das nicht zu hoch bewerten – und die Linkspartei nennt in ihrem Antrag auch anderes -, aber stutzen lässt mich diese Rangfolge doch.

Altersarmut ist ein Problem, und wir müssen endlich auch handeln. Derzeit sind 2 Millionen ältere Menschen in Deutschland arm. Es ist zwar richtig, dass die Armut bei Kindern höher ist. Und es ist sicher auch richtig, dass die empörende Kinderarmut uns als Gesellschaft vor eine noch dringlichere Aufgabe stellt. Aber ich warne davor, das Problem der Altersarmut kleinzureden oder die eine Gruppe gegen die andere auszuspielen.

Armut im Alter ist anders als in anderen Lebensphasen. Altersarmut ist verfestigte Armut. Ältere, die arm sind, haben in der Regel keine Chance mehr, die Armut zu überwinden. Das unterscheidet sie grundlegend von allen anderen Altersgruppen. Altersarmut ist dauerhafte, unbefristete, ja für die Betroffenen lebenslängliche Armut. Ich bin überzeugt davon, dass die älteren Menschen, die arm sind, in ihrem Leben auf die eine oder andere Weise einen Beitrag zu unserer Gesellschaft geleistet haben. Manche haben Kinder erzogen, andere haben Angehörige gepflegt, wieder andere haben sich politisch oder sozial engagiert. Manche haben lange Jahre für wenig Geld gearbeitet. Manche haben jahrelang erfolglos versucht, wieder eine Arbeit zu finden. Dadurch entstehen Lücken in den Rentenbiografien, und ich finde es empörend, dass die Leistungen dieser Menschen nicht anerkannt werden und hingenommen wird, dass sie im Alter in Armut leben müssen.

Bezüglich der nächsten Jahre erwartet uns nach allen Prognosen ein deutlicher, ein überproportionaler Anstieg der Altersarmut.

Gerade heute ist die neue Studie der OECD „Renten auf einen Blick“ erschienen. Darin ist nachzulesen, dass Deutschland bei der Absicherung der zukünftigen Rentner mit niedrigem Einkommen im internationalen Vergleich äußerst schlecht dasteht. In der EU bildet Deutschland das Schlusslicht. Unter den OECD-Ländern sichert nur Japan die derzeitigen Niedrigverdiener schlechter ab. Damit schneidet Deutschland zum Beispiel auch schlechter ab als Mexiko und Polen. Altersarmut in Deutschland ist vorprogrammiert.

Und dabei ist bei der Projektion der OECD noch nicht einmal berücksichtigt, dass die Versicherungsbiografien in den letzten Dekaden immer lückenhafter geworden sind: immer mehr unterbrochene Erwerbsbiografien, immer mehr Langzeitarbeitslosigkeit, immer mehr Teilzeiterwerbstätige, immer mehr Soloselbstständige, immer mehr in der Leiharbeit Beschäftigte, immer mehr im Niedriglohnsektor Beschäftigte.

Diese Erwerbsbiografien lassen sich nicht mehr retten. Diese Erwerbsbiografien lassen sich auch nicht mehr retten durch eine wie auch immer geartete Wirtschafts- oder Arbeitsmarktpolitik. Die Rentenbiografien der letzten Dekaden sind nämlich schon geschrieben. Und die Massenarbeitslosigkeit der letzten Jahrzehnte hat sich in die Rentenbiografien eingeschrieben. Das ist nicht mehr zu ändern. Zu ändern ist aber, ob dies zu Altersarmut führt. Und wenn die Kommission der Bundesregierung dafür Konzepte vorlegt, begrüße ich das ausdrücklich.

Sende einen Kommentar