Antrag: Gleiches Rentenrecht in Ost und West

Gepostet am Dienstag, den 22. März 2011 um 17:31 in Alterssicherung,Ostrenten,Parlamentarische Initiativen

der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn, Stephan Kühn, Cornelia Behm, Katrin Göring-Eckardt, Monika Lazar, Dr. Harald Terpe, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Kai Gehring, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg und der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der Bundestag wolle beschließen:

I.    Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) wurden die Anwartschaften der Versicherten in den neuen Bundesländern in das System der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) überführt. Im Grundsatz war damit in den alten und neuen Bundesländern ein einheitliches Rentenrecht hergestellt. Das RÜG sah allerdings ausdrücklich vor, dass „bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“ eine Reihe von rentenrechtlich maßgeblichen Rechengrößen und Verfahrensweisen für die neuen und alten Bundesländer differenziert festgelegt und angewendet werden sollten. Diese Differenzierungen führen bei Versicherten in Ost und West zur Unzufriedenheit und verstetigen die gegenseitigen Vorbehalte und werden 19 Jahre nach Gültigkeit dieses Gesetzes von viele Bürgerinnen und Bürgern in den ostdeutschen Bundesländern als ungerecht empfunden.

Zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung haben die als Übergangsregelung gedachten rentenrechtlichen Unterschiede infolge der erheblichen Verlangsamung des Angleichungsprozesses der Löhne und Gehälter immer noch Bestand. Das unterschiedliche Rentenrecht wird ohne Eingriffe des Gesetzgebers noch so lange existieren, bis sich die Entgelte und damit die Rentenwerte in den alten und neuen Bundesländern vollkommen angeglichen haben. Dies kann aus heutiger Sicht noch sehr lange dauern. Aus dem bestehenden System heraus ist auf kurze bis mittlere Sicht keine wesentliche Angleichung zu erwarten. So wird im aktuellen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung angenommen, dass sich die Durchschnittsentgelte bis zum Jahr 2015 kaum weiter annähern. (vgl. BMAS: Rentenversicherungsbericht 2010, BT-Drucksache 17/3900, S. 47 f.) Die einstige Übergangslösung droht zu einer Dauerregelung zu werden, so dass sich die Frage stellt, ob und wie lange noch ein unterschiedliches Rentenrecht angewendet werden soll.

Die Fraktionen CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, noch in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen. Konkrete Vorschläge ist die Koalition bisher schuldig geblieben. Aus Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Fragen zur Schaffung eines einheitlichen Rentensystems geht hervor, dass die Bundesregierung nicht absehen kann, wie lang es noch dauern wird, bis der Anpassungsprozess der Rentensysteme in Ost und West vollzogen ist und in nächster Zeit keine Lösung präsentieren wird.

 

II.  Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1.      zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine grundsätzliche Vereinheitlichung aller maßgeblichen Bezugsgrößen zur Entstehung und Berechnung der Rente in Ost und West durchzuführen, die insbesondere folgende Eckpunkte enthält:

a)      Der aktuelle Rentenwert Ost und die Beitragsbemessungsgrenze Ost werden auf den aktuellen Rentenwert West und die Beitragsbemessungsgrenze West angehoben;

b)      Die Berechnungsfaktoren für die Hochgewichtung der in Ostdeutschland in der Vergangenheit erworbenen Entgeltpunkte werden so reduziert, dass sich die daraus resultierenden Rentenansprüche nicht ändern;

c)      Die zukünftigen Entgeltpunkte werden bundeseinheitlich berechnet, auf eine gesonderte Hochwertung der Entgeltpunkte in Ostdeutschland wird verzichtet.

2.      eine Garantierente einzuführen, die als Teil der Rentenversicherung für langjährig Versicherte in Ost und West geringe Rentenansprüche auf ein Mindestniveau aufstockt, das über dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau liegt. Die dafür anfallenden Kosten sind aus Steuermitteln zu finanzieren.

 

Berlin, den 15. März

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

 

Begründung

Das Ziel einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung sollte sein, gleiche rentenrechtliche Regelungen für Versicherte in den alten und neuen Bundesländern herzustellen und damit die existierenden Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Eine einheitliche Berechnung sollte sich auch weiterhin am Äquivalenzprinzip ausrichten, so dass gleich hohe Beitragszahlungen zu gleich hohen Rentenanwartschaften führen. Von daher ist es erforderlich, die Ermittlung von Entgeltpunkten für alle Versicherten zu vereinheitlichen sowie einen einheitlichen Rentenwert einzuführen. Eine solche einheitliche Berechnungsweise des Rentenanspruchs würde auch zu höherer Akzeptanz und mehr Transparenz im Rentensystem führen.

Die im Rahmen von Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Rentenberechnung bereits erworbenen Rentenanwartschaften sollen und können dabei nicht gekürzt werden. Um diese in gleicher Höhe zu erhalten, müssen die Hochwertungsfaktoren gerade um die Erhöhung des aktuellen Rentenwertes reduziert werden. Um Geringverdienende besser vor Altersarmut zu schützen, wird anstelle der Aufwertung der Entgeltpunkte im Osten, die einkommensunabhängig durchgeführt wurde, eine Garantierente eingeführt, durch die geringe Rentenansprüche in Ost und West auf ein Mindestniveau aufstockt werden, denn geringe Löhne gibt es nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch im Westen.

Antrag Gleiches Rentenrecht [PDF]

12 Kommentare zu "Antrag: Gleiches Rentenrecht in Ost und West"

  1. Erich Möser sagte,

    am 27. April 2011 um 11:08

    Den Antrag auf gleiches Rentenrecht OST/West begrüße ich. Nach 20 Jahren Wiedervereinigung sollten die neuen Bundesländer endlich Eigenverantwortung übernehmen.

  2. Dieter Rieneck sagte,

    am 27. April 2011 um 12:15

    Wir im Osten haben unter weit schwieriegeren Bedingungen arbeiten und leben müssen es ist unverständlich 20 Jahre nach der staatlichen „Anpassung“ uns Rentner weiterhin zu diskreminieren.Mit welchem Recht sind unsere Endgeldpunkte 12 % niedriger wie bei unseren westdeutschen Schwestern und Brüdern.

  3. Karin Ihle sagte,

    am 27. April 2011 um 12:57

    Der Erich ist bestimmt schon „uralt“ und ein absoluter Kenner der Materie. Ich würde behaupten wollen, dass dem Antrag eine nicht
    an Fehlern zu überbietende Datenbasis zugrunde liegt. Weiss jemand von den Herrschaften, die „Volksvertreter“ sein sollen, aber offensichtlich nicht wollen, warum diese Regelung getroffen wurde
    und welchen, ausser den billigen benannten Grund es geben sollte,
    selbige zu kippen ? Anscheinend gibt es auch bei den nunmehr volksparteilichen Grünen keinen, der tatsächliche Lohnniveauunterschiede genauer recherchiert. Sicher gibt es ein
    Nord-Süd Gefälle, aber wie steht der im Verhältnis zu Ost-West, kann Herr Dr. das belegen ???
    Auf jeden Fall habt Ihr Grünen viele Wähler abgeholt, Neiddebatten klappen ja immer, Superniveau !!! Hauptsache Ihr denkt daran
    Schritt zu halten mit euren Pensionen, die Ihr Euch wie im Selbstbedienungsladen einfach selbst genehmigt. Da macht das ja auch garnichts mehr, dem Ossirentner von seinen 800,00 € mal
    schnell 50,00 € abzuknappsen.Seid stolz auf Euch und Eure zur Schau gestellten Disqulifikation für jegliche Sozialthemen.

  4. daniel sagte,

    am 27. April 2011 um 13:13

    Zum Kommentar von Karin und Dieter.
    Vielleicht würde es sich für euch lohnen, den Antrag mal genau durchzulesen. Die Punkte 1 a)-c) gehen auf die Vereinheitlichung ein und das bedeutet, dass auch die Nachteile der Rentenberechung Ost aufgehoben werden (a und b). Unter Punkt 2 wird eine Garantierente eingefordert, die eben ein „Abknappsen“ verhindern soll und im Gegenteil eine Mindestrente über dem bisherigen Grundsicherungsniveau garantiert. Die Schlagzeile der BILD spiegelt leider nur einen Bruchteil des gesamten Antrags wider.

  5. Katrin Kreuzberg sagte,

    am 27. April 2011 um 15:31

    Super, dass dieses Thema endlich aufgegriffen wird. Ich bin seit 10 Jahren rentenrechtlich „Ossi“ und ärgere mich seit Jahren darüber, dass ich bei gleicher Tätigkeit nicht nur weniger Lohn, sondern zusätzlich auch prozentual noch weniger Rente erhalten werde als Menschen mit Westverträgen. Ich habe keine Ahnung, warum Sie und die Medien der Meinung sind, „Ossis“ würden von der jetzigen Regelung profitieren. Ich erhalte bei der Berechnung zwar durch den Anpassungsfaktor ca. 5% mehr bei der Berechnung des (Ost-)Rentenpunktes, werde für diese Punkte aber ca. 12% weniger (Ost-)Rente erhalten.
    Und wenn man dann auch noch über der Beitragsbemessungsgrenze Ost liegt, summiert sich das Ganze bereits mit heutigen Zahlen auf deutlich über 100€, die ich als „Ossi“ weniger an späterer Monatsrente erhalten werde als „Wessis“.

    Also: Anpassung ja gerne! Und so schnell wie möglich!

  6. Gerd Reinhardt sagte,

    am 27. April 2011 um 20:26

    Liebe Politiker
    Ich bin wir sicher, daß Ihr für nichts verantwortlich seid. Keine der Parteien im Bundestag war in den letzten Jahren an der Macht. Niemand hat die Gesetze und Verordnungen so gemacht wie sie jetzt sind. Und es tut jedem die Ungerechtigkeit in alle Richtungen weh.

    Freunde! Hört auf zu heucheln! Es wird über Generationen keine Einheitlichkeit zwischen Ost und West geben. Die ist nach meiner Meinung auch nicht gewollt. Unser Gesellschaftssystem ist der Kapitalismus. Lest beim Marx nach.

    Der Ost ist doch nur noch „Nebenkriegsschauplatz“. Jetzt geht es um Öko, Atomausstieg, S21, E10 …..
    Immer schön neue Themen finden, die Leute unter Druck halten damit diese sie nicht über diese alten – für manche unbeliebten – Fragen nachdenken

    Grüßt Euere Lobbyverbände.
    Diese werden schon den richtigen Weg für Deutschland aufzeigen- natürlich vollkommen uneigennützig.

  7. am 30. April 2011 um 19:13

    […] BündnisGrüne Bundestagsfraktion setzt sich für eine Angleichung des Rentenrechts in Ost und West ein. Dazu wurde ein entsprechender Antrag in den deutschen Bundestag eingebracht. Das Ziel einer […]

  8. Manfred Peters sagte,

    am 5. Mai 2011 um 14:55

    Unterziehen wir dem Antragseuphemismus doch mal einer Kernschmelze. Was bleibt danach übrig?
    1. Wir Grünen scheißen auf den Vertrauensschutz zu der „Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“ in den neuen Bundesländern!
    2. Wir arbeiten aktiv an einer Verstetigung prekärer Armenhausverhältnisse im Osten Deutschlands mit billigem Arbeitskräftereservoir als Druckpotential auch für den westdeutschen Arbeitsmarkt.
    3.Als Kollateralnutzen wird bei den Stammtischwählern im Westen weiter gepunktet.
    4. Die politische Gestaltung dieses Problems wird zu den Akten gelegt
    Liebe Grüne, neoliberaler hätten es Clemens und Westerwelle auch nicht hingekriegt.
    Weitere Diskussionsbeiträge siehe:
    http://blog.gruene-greifswald.de/2011/04/28/die-rente-ist-sicher/

  9. wolfgang sagte,

    am 5. Mai 2011 um 17:23

    Lieber Manfred Peters,
    die Aussagen entbehren jeglicher Grundlage und das Gegenteil ist der Fall!
    ad 1) Die bestehenden Renten und Rentenansprüche bleiben in ihrer Höhe völlig unangetastet. Insofern ist der Vertrauensschutz voll gewahrt und durch die Zahlung einer Garantierente wird die durchschnittliche Rente im Osten deutlich erhöht!
    ad 2) Im Gegenteil. Wir fordern z.B. schon lange einen Mindestlohn. Und wenn wir beim Rentenrecht eine Angleichung an die Westberechnung fordern, erhöht das den Druck, endlich auch gleiche Löhne für gleiche Arbeit zu zahlen.
    ad 3) Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass diese Diskussion an den Stammtischen im Westen überhaupt ein Thema ist. Uns geht es darum das die Menschen in Ostdeutschland nicht weiter wie Erwerbstätige zweiter Klasse behandelt werden
    ad 4) Das ist ja gerade ein Vorschlag zur Gestaltung des Problems – auch wenn er umstritten ist und manchen,die eine allgemeine Erhöhung der Renten in Ostdeutschland haben wollen, nicht ausreicht. Insofern verstehe ich den Vorwurf nicht.
    Neoliberal ist daran überhaupt überhaupt nichts. Eine Umverteilung von oben nach unten, wie wir sie anstreben, würden Neoliberale komplett ablehnen.
    Schönen Gruß
    Wolfgang Strengmann-Kuhn

  10. Manfred Peters sagte,

    am 5. Mai 2011 um 18:06

    @ wolfgang 17:23
    Es war unter 1. der Vertrauensschutz zu den im Antrag mehrfach erwähnten und am Ende ad acta gelegten einheitlichen Einkommensverhältnissen gemeint!
    Auch der Punkt 4 bezog sich eigentlich darauf. Das wurde aber von mir nicht eindeutig dargestellt.
    Dabei ist mir vollkommen klar, dass es keine 100%ige Gleichheit geben kann. Es geht um die Dimension und die Gefahr der weiteren Öffnung der Schere.
    Übrigens, für die Beamten im Osten ist das Ziel schon erreicht und die sollen ja in beiden Himmelsrichtungen nicht unwesentlich zu den Wählern der Grünen gehören. 😉
    Zitat: „ … Zum 1.1.2008 wurde für die die Besoldungsgruppen A2 bis A9 die Besoldung bereits zu 100% dem Westniveau angeglichen. …“ (MV)
    http://www.beamtenbesoldung.org/component/content/article/42-besoldung-laender/120-mecklenburg-vorpommern.html
    Ansonsten doch noch mal hier in den Kommentaren nachlesen:
    http://blog.gruene-greifswald.de/2011/04/28/die-rente-ist-sicher/

  11. am 8. Juni 2011 um 11:10

    […] 26. Mai 2011 hat der deutsche Bundestag über die Initiative der BündnisGrünen Bundestagsfraktion für ein bundeseinheitliches Rentenrecht beraten. Hierzu die Rede von Wolfgang […]

  12. Wilhelm sagte,

    am 22. November 2011 um 13:18

    Wenn unsere Politiker den Inhalt des Einigungsvertrages vom
    31.08.1990 zu Artikel 9 nicht in das bundesdeutsche Recht umsetzen,
    dann bin ich sehr enttäuscht, wie Sie die Gesetze der DDR verändern
    nach ihrem Willen. Der EV hat dies aber Ihnen nicht zugestanden.
    Selbst die Auffassungen des Bundesverfassungsgerichtes aus dem
    Jahre 1999 zu Renten werden ignoriert, was die Anwartschaften
    betrifft..
    Vielmehr gibt es hierzu nichts widerzugeben, da das Bundesministerium für Soziales Kontra zu der Angelegenheit
    eingestellt ist.
    Ein Beauftragter der Ministerin für Soziales gelangte 2011 zur Auffassung dass ehemalige Beschäftigte im Gesundheitswesen der
    DDR – nur Krankenschwestern wären und das Medizinisch-Technische-Personal nicht dazu gehöre.
    Welche Unkenntnisse mag der Herr zu dem ehemaligen Gesundheitswesen der DDR gehabt haben ?