Die Grüne Garantierente

Gepostet am Donnerstag, den 15. September 2011 um 17:47 in Altersarmut,Alterssicherung

Bereits heute haben ca. 2 Millionen Ältere in Deutschland ein Einkommen unterhalb der EU-Armutsrisikogrenze. Bedrohlich ist, dass ohne Gegenmaßnahmen nach allen Prognosen die Altersarmut und Bezug von Grundsicherung im Alter in den nächsten Jahren gravierend zunehmen wird. Zentrale Gründe sind das sinkende Rentenniveau, die dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit, veränderte, nämlich fragmentiertere, Erwerbsbiographien, eine Vergrößerung des Niedriglohnsektors und eine Zunahme von Selbständigen mit geringen Einkommen. Ältere haben nur in den seltensten Fällen die Möglichkeit, ihre Situation noch zu verändern. Auch deswegen ist die Bekämpfung der Altersarmut sehr wichtig. Besonders betroffen von Altersarmut sind heute Personen mit unterbrochenen Versicherungsbiografien, Teilzeiterwerbstätige, Geringverdienende, alleinstehende Frauen und über 75-Jährige. Wir wollen, dass einerseits die Grundsicherungsleistungen verbessert werden und andererseits die Rentenversicherung so ausgestalten, dass der Bezug von Grundsicherung im Normalfall vermieden wird.

Wir setzen den nun vorgelegten Vorschlägen der Bundesregierung unser Konzept der Garantierente gegenüber, das eingebettet ist in ein Bündel von Maßnahmen gegen Altersarmut. Dabei soll die Gesetzliche Rentenversicherung das Kernstück der Sicherung im Alter bleiben. Durch die unten aufgeführten Maßnahmen soll erreicht werden, dass die Grundsicherung wirklich nur das letzte Netz der sozialen Sicherung für möglichst wenige Ausnahmefälle bleibt.

Neben der Garantierente sind weitere Elemente der grünen Strategie gegen Altersarmut:

  1. eine auf mehr und bessere Beschäftigung ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik
  2. die Einbeziehung weiterer Gruppen in die Rentenversicherung mit Zielrichtung einer Bürgerversicherung in der Rentenversicherung. Als erster Schritt sollen bisher nicht abgesicherte Selbständige in die Rentenversicherung einbezogen werden.
  3. ein obligatorisches Rentensplitting, durch das die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche auf beide Partner in gleicher Höhe aufgeteilt werden. Dadurch wird ein innerehelicher Ausgleich geschaffen und nicht zuletzt auch verhindert, dass Rentenansprüche von nicht oder nur in geringem Maße erwerbstätigen Ehepartnern (Einverdienerhaushalte) durch die Garantierente aufgestockt werden. Die Witwen/r-Rente kann langfristig entfallen.
  4. die Wiedereinführung und Verbesserung der Mindestrentenbeiträge für Arbeitslose im ALG II-Bezug (die als Teil des Sparpaketes von der Bundesregierung gestrichen wurden) und die Ausdehnung auf weitere Gruppen für die diese Beiträge gezahlt werden (SozialhileempfängerInnen und ALG I-EmpfängerInnen, wenn für letztere geringere Beiträge gezahlt werden). Ziel ist diesen Gruppen für die Zeiten des Leistungsbezugs einen Rentenanspruch, der den Rentenanwartschaften aus einem Einkommen von 400 Euro entspricht, zu gewähren. (BT-Drucksache 17/2436)
  5. Die Anhebung des Regelsatzes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit sowie beim Arbeitslosengeld II auf ein Niveau, das Teilhabe ermöglicht. Wir orientieren uns hier an den Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Vorgelagerte Sicherungssysteme stärken und verdeckte Armut im Alter vermeiden

Wir wollen die vorgelagerten Sicherungssysteme stärken. Die Garantierente soll nichtstigmatisierend und bürokratiearm sein. Für alte Menschen ist es besonders beschwerlich zum Sozialamt zu gehen und die Grundsicherung zu beantragen, die darüber hinaus als stigmatisierend empfunden wird oder zu Stigmatisierung führt. Die Rentenversicherung ermittelt deshalb im Vorfeld, wer anspruchsberechtigt ist, um den Betroffenen die Antragstellung und den Gang zum Sozialamt zu ersparen. Wie genau dies umgesetzt werden kann, ist nach der Entscheidung der Fraktion für ein Garantierentenmodell zu klären.
Es gibt einige Indikatoren, die darauf hinweisen, dass der Anteil der verdeckt Armen, also derjenigen, die Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter hätten, diese aber nicht in Anspruch nehmen, im Alter immer noch besonders hoch ist. Vor der Einführung der Grundsicherung im Alter gab es Schätzungen, dass auf eine BezieherIn von Sozialhilfe im Alter zwei bis drei verdeckt Arme kommen. Nach Einführung der Grundsicherung ist der Anteil der BezieherInnen sprunghaft gestiegen, was auf einen Abbau der verdeckten Armut hindeutet, aber weit geringer als dieses Ausmaß. Diese Reduzierung der verdeckten Armut ist ein Erfolg der unter Rot-Grün eingeführten Grundsicherung für Ältere und Erwerbsunfähige. Ein weiterer Indikator dafür, dass die verdeckte Armut im Alter immer noch hoch ist, ist die Diskrepanz zwischen dem Anteil der Einkommensarmen und der Grundsicherungsquote, die bei den Alten so groß ist wie in keiner anderen Bevölkerungsgruppe.

Eigenständige Alterssicherung für Frauen

Die Garantierente soll eine eigenständige Mindestsicherung sein, also grundsätzlich unabhängig vom Einkommen des Partners oder der Partnerin. Zusammen mit dem Rentensplitting, das eher dem Ziel der Lebensstandardsicherung und einem gerechteren Ausgleich zwischen Männern und Frauen dient, schaffen wir eine eigenständige Alterssicherung für Männer und Frauen. Dadurch kann die Witwen/r-Rente als abgeleitete Sozialleistung sukzessive entfallen. Je stärker das Rentensplitting wirkt, desto geringer werden die Kosten der Garantierente.

Die Kosten für die Grundsicherung sollen reduziert und die Kommunen bei einer Einführung vor 2014 entlastet werden

Die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit gehen nach den Ergebnissen des Vermittlungsausschusses zur Regelsatzberechnung schrittweise auf den Bund über. Dadurch verlagern sich die Kosten für die Grundsicherung schrittweise von 2011 bis 2014 auf den Bund. Der Entlastungseffekt durch die Garantierente tritt also ab 2014 nicht mehr bei den Kommunen auf, sondern beim Etat für die Grundsicherung im Alter und Erwerbsunfähigkeit im Bundeshaushalt.

Akzeptanz der Rentenversicherung erhöhen

Ein größer werdender Teil der Bevölkerung hat kein Vertrauen mehr in die gesetzliche Rentenversicherung. In einer Studie für das BMAS aus dem Jahr 2007 zu den Einstellungen zum Sozialstaat heißt es: „Der Rentenversicherung vertraut nur noch ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger.“ Viele glauben, dass es in Zukunft nur noch eine Grundsicherung im Alter geben wird. Die Folge ist, dass sowohl die Bereitschaft Beiträge zu zahlen als auch privat vorzusorgen stark abnimmt. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Rentenversicherung so ausgestaltet wird, dass sie in der Regel vor Armut schützt und sich sowohl eigene Rentenbeiträge als auch eigene Vorsorge lohnen.

Eigenvorsorge und Kapitalbildung stärken

Der Schutz vor Armut im Alter muss durch die umlagefinanzierte erste Säule der Alterssicherung sowie durch steuerfinanzierte Leistungen gewährleistet werden. Aufgrund des geringer werdenden Rentenniveaus ist aber davon auszugehen, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge einen immer größer werdenden Anteil zur Lebensstandardsicherung beiträgt. Deswegen wollen wir die Garantierente so ausgestalten, dass sich Eigenvorsorge und private Kapitalbildung für Personen mit niedrigem Einkommen stärker als bisher lohnt.

Teil der gesetzlichen Rentenversicherung, aber steuerfinanziert

Die Garantierente ist Teil der Rentenversicherung, aber steuerfinanziert, damit sich auch Besserverdienende mit einem Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze angemessen an der Finanzierung beteiligen.

Zielgenauigkeit: Beamtenpensionen und Einkommen aus anderen Alterssicherungssystemen werden angerechnet

Da es in Deutschland neben der gesetzlichen Rentenversicherung weitere Alterssicherungssysteme gibt (Beamtenversorgung, Alterssicherung für Landwirte sowie Renten aus den Versorgungswerken für bestimmte Selbständige), bedeutet eine geringe gesetzliche Rente nicht notwendigerweise ein geringes Alterseinkommen. Um die Zielgenauigkeit zu erhöhen, sollten deshalb neben Rentenansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch Alterseinkommen aus den anderen Alterssicherungssystemen sowie die geförderte private Alterssicherung auf die Garantierente angerechnet werden

Beitragszahlung soll sich lohnen: Eigene Ansprüche werden nur teilweise angerechnet

Eigene Rentenansprüche (bzw. eigene Pensionen) sollen nur zum Teil auf die Aufstockung angerechnet werden. Dadurch wird gewährleistet, dass diejenigen, die mehr in die Rentenversicherung eingezahlt haben, auch einen höheren Gesamtrentenanspruch haben. Damit werden positive Arbeitsanreize für die Erwerbsphase gesetzt und die Akzeptanz für die Beitragszahlungen auch bei Geringverdienenden steigt. Zudem ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass jemand, der mehr eingezahlt hat, auch mehr ausgezahlt bekommt. Auch Renten aus der geförderten privaten Alterssicherung sollten nur teilweise angerechnet werden, damit sich „riestern“ lohnt. Witwen- und Witwerrenten sollen als abgeleitete Renten, die nicht auf eigenen Ansprüchen basieren, voll angerechnet werden.

30 Versicherungsjahre führen zu mindestens 30 Entgeltpunkten

Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie als langjährig Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter in der Regel nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein werden.

Die Garantierente ist deshalb so ausgestaltet, dass geringe Rentenansprüche von Rentnerinnen und Rentner mit 30 und mehr Versicherungsjahren so aufgestockt werden, dass die Gesamtrente mindestens ein Niveau von 30 Entgeltpunkten erreicht. 30 Entgeltpunkte entsprechen nach aktuellem Rentenwert 824,10 Euro.

Wer mehr als 30 Versicherungsjahre und zugleich geringe Rentenansprüche hat, erhält eine Aufstockung auf mindestens 30 Entgeltpunkte.

Eigene Rentenanwartschaften sollen dabei nur zum Teil angerechnet werden. Neben der Vollanrechnung eigener Rentenansprüche, wollen wir zwei Varianten einer teilweisen Anrechnung überprüfen:
a) Bei der ersten sollen eigene Ansprüche zu 80% auf die Garantierente angerechnet werden. Eine Aufstockung würde dann bis 37,5 Entgeltpunkten erfolgen.
b) Bei der zweiten sollen eigene Ansprüche, die über 24 Entgeltpunkte hinausgehen, zu 50% angerechnet werden. Eine Aufstockung würde dann bis 36 EP erfolgen.

Die zweite Variante verursacht weniger Kosten und der Anrechnungssatz ist für Personen mit mehr als 24 EP deutlich höher. Nachteil dieser Variante ist, dass Rentnerinnen und Rentner mit weniger als 24 EP und mehr als 30 Versicherungsjahren, eine Aufstockung auf 30 Entgeltpunkte unabhängig von der Höhe der eigenen Ansprüche erhalten. Diese Gruppe dürfte allerdings relativ klein sein.

Überlegungen zur Finanzierung

Mittel- und langfristig kostenreduzierend wirkt das von den Grünen vorgeschlagene Rentensplitting, die Weiterentwicklung zu einer Bürgerversicherung, die von den Grünen geforderte Wiedereinführung von Mindestrentenanwartschaften für Langzeitarbeitslose und weitere Gruppen sowie die von Rot-Grün eingeführte verbesserte Anrechnung von Rentenanwartschaften für Zeiten der Kindererziehung für Kinder, die seit 1992 geboren wurden, weil dadurch zusätzliche eigene Ansprüche aufgebaut werden. Zudem führt die Einführung der Garantierente zu einer Reduzierung der Ausgaben bei der Grundsicherung für Ältere und Erwerbsunfähige. Die von grüner Seite angestrebte Anhebung des Regelsatzes wird dadurch erheblich günstiger. Neben diesen Effekten, die zu stärker armutsvermeidenden Rentenanwartschaften führen, ist für die langfristige Finanzierung zu berücksichtigen, dass durch das Rentensplitting die Witwen/r-Rente mittelfristig wegfällt.

Kurzfristig könnte die Garantierente dadurch finanziert werden, dass Selbständige in die Rentenversicherung einbezogen werden, wodurch die Einnahmen der Rentenversicherung steigen, während dadurch erst langfristig die Ausgaben steigen. Die Garantierente könnte dann durch einen Teil des allgemeinen steuerfinanzierten Zuschuss zur Rentenversicherung finanziert werden. Bezüglich der langfristigen finanziellen Wirkungen ist zu berücksichtigen, dass durch die Beiträge der Selbstständigen neue Ansprüche aufgebaut werden, die bedient werden müssen wenn die jetzt Zahlenden in Rente gehen. Dadurch sinkt der Überschuss sukzessive. Allerdings führt die verbesserte Absicherung der Selbstständigen im Gegenzug zu sukzessiv geringeren Ausgaben bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit.

2 Kommentare zu "Die Grüne Garantierente"

  1. Michael Werner sagte,

    am 18. September 2011 um 11:31

    Hallo,

    ich bin 48 und lebe von Geburt an in Deutschland, bin also von Anfang in der Rentenversicherung, habe allerdings nur sehr wenige Rentenpunkte, die sich auch nicht mehr vermehren werden. Würde ich dennoch schon als 30-ig jährig versichert zählen, so dass ich die Aufstockung auf 30 Rentenpunkte bekäme? Könnte ich diese Rente dann auch wegen voller Erwerbsminderung jetzt schon beantragen?

    Mit Grüssen
    Michael Werner

  2. Jenny sagte,

    am 3. September 2012 um 08:54

    wieso nicht ein Rentenystem wie in den Niederlanden? Das Arbeitsvolumen sinkt dank Rationalisierung, Automatisierung, Technologisierung — es kann nicht mehr jeder Vollzeit arbeiten!! Das ist utopisch in der Hochproduktivwirtschaft. Und wieso gibt es überhaupt die Beitragsbemessungsgrenzen??? In der Schweizer RV gibt es die nicht! Da zahlt jeder ein mit vollen Beträgen und allen Einkünften, auch Mieteinnahmen, Kapitaleinkommen etc.

    ich arbeite seit ich 18 bin inkl. Ausbildung. Wegen Behinderung arbeite ich aber nur Teilzeit und verdien 1200 Brutto — ich werde in DE wohl in die Armut geschickt — soll ich etwa in die Niederlande, Schweiz oder Dänemark auswandern, um angemessen im Alter versorgt zu werden???

    eine Witwenrente werd ich wohl auch nie bekommen – bei heutigen Trennungs-/Scheidungsraten wohl für viele auch nicht erreichbar.

    Damit würd ich nicht mehr als Regelfall kalkulieren.

    ich seh nicht ein, dass Beamte 72% des letzten Gehalts bekommen – -wenn dann müssen ALLE voll in die Kassen einzahlen.

    es war rot-grün, die den Niedriglohnsektor forcierten. Die Kassen sind dadurch noch leerer – mit Verbeamtung spart der Staat sich als Arbeitgeber einfach die Sozialabgaben und nur noch 28 Mio. finanzieren den ganzen Spaß.

    wenn Bürgerversicherung, dann richtig — alle rein: ohne Beitragsbemessungsgrenze und die Verbeamtungen einstellen, um Sozialabgaben zu sparen!

    und Riester ist Beschiss!

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