Verteilung, Steuern, Soziales – Inputpapier für das Treffen der Grünen Linken am 22.10. in Kassel

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1 Von der der Finanzmarktkrise zur Schuldenkrise und die Notwendigkeit einer Vermögensumverteilung

2 Politik der Veränderung braucht soziale Sicherheit

3 Politik der Veränderung braucht Innovationen und Kreativität – für eine Sozialpolitik der
Befähigung zur Teilhabe

4 Die soziale Säule des Grünen New Deals global

5 Wachstum und Verteilung

6 Politik der Veränderung muss alle mitnehmen – für eine inklusive, universelle und egalitäre Sozialpolitik

7 Grüne Basissicherung

8 Finanzierung und Reform des Steuersystems


Bündnis 90/ Die Grünen sind bei der Bundestagswahl damit angetreten, die drei großen Krisen zusammenzudenken: 1) die ökonomische Krise und die Finanzmarktkrise, 2) die ökologische und Ressourcenkrise und den Klimawandel und 3) die Verteilungs- und Armutskrise – und zwar nicht nur, weil die Bewältigung aller drei Krisen jeweils für sich äußerst wichtig ist, sondern insbesondere, weil sie gemeinsame Ursachen haben und sich auch, zumindest teilweise, gegenseitig bedingen.

Die Art und Weise, wie Finanzinvestoren insbesondere in den armen Ländern investiert haben, hat sowohl die ökologische als auch die soziale Krise verstärkt und durch den fortschreitenden Klimawandel wird die Armut zusätzlich erhöht. Gleichzeitig führt dieses Wirtschaften, das keine Rücksicht auf soziale und ökologische Kriterien nimmt, zu einer weiter auseinander gehenden Verteilungsschere sowohl weltweit als auch innerhalb der reicheren Länder. Gleichzeitig ist die gestiegene soziale Ungleichheit auch eine Ursache der Finanzkrise, weil dadurch das Kapitalangebot enorm gestiegen ist und global nach Anlagemöglichkeiten mit hohen Renditen gesucht wurde. Dieses wurde auch verschärft durch eine weltweit zunehmende Kapitaldeckung der Alterssicherung. Das Umlageverfahren hat sich hingegen gerade in der Krise als stabilisierendes Element erwiesen. Die Art der sozialen Sicherung und die Auswirkungen der Finanzkrise hängen also ebenfalls zusammen.

Letztlich sind alle drei Krisen Folge einer Wirtschaftsweise, die vor allem auf kurzfristige Gewinnmaximierung orientiert ist, undifferenziert auf Wirtschaftswachstum setzt und weder ethische noch ökologische noch soziale Folgen berücksichtigt. Diese Art des Wirtschaftens stößt zunehmend an seine Grenzen. Um dieses zu ändern brauchen wir – im wahrsten Sinne des Wortes – radikale Veränderungen, die an der Wurzel ansetzen. Begriffe wie „ökologische industrielle Revolution“ und „Transformation der Wirtschaft“ machen dies deutlich. Diese Veränderungen umfassen auch die soziale Dimension der Krise, weil auch der soziale Zusammenhalt auf eine neue Basis gestellt werden muss und ohne soziale Sicherheit der notwendige Wandel nicht erreicht werden kann.

Der Green New Deal mit den drei Säulen: Finanzmarktregulierung, ökologischer Transformation der Wirtschaft und einem neuen sozialen Ausgleich ist notwendiger denn je. In der Grünen Debatte wird dabei häufig die soziale Säule des Green New Deal vernachlässigt, wobei ohne eine stärkere Umverteilungspolitik und ohne eine bessere soziale Absicherung und Armutsbekämpfung die beiden anderen Krisen nicht zu bewältigen sein werden.

1 Von der der Finanzmarktkrise zur Schuldenkrise und die Notwendigkeit einer Vermögensumverteilung

Die Finanzmarktkrise hat sich weiterentwickelt und ist zur Euro- und Schuldenkrise geworden. Neben der immer noch fehlenden Regulierung der Finanzmärkte ist der Kern des Problems die hohe Verschuldung, und zwar nicht nur die öffentliche, über die heute überwiegend diskutiert wird, sondern auch die private Verschuldung. Wichtig dabei ist, dass bei einer Verschuldung auf der anderen Seite immer auch jemand ist, bei dem sich jemand verschuldet und bei dem Guthaben, also finanzielles Vermögen entsteht. Augenscheinlich wird dies, wenn die Schuldenuhr des Bunds der Steuerzahler und die Vermögensuhr gegenübergestellt werden, siehe z.B. http://zwillingsstern.de/proj/schuldenuhr-vermoegensuhr/. Das Vermögen steigt genauso an wie die Verschuldung, was kein Zufall ist, sondern Folge einfacher ökonomischer Gesetze. Das heißt: wir haben nicht nur eine massive Verschuldung öffentlicher und privater Haushalte, sondern gleichzeitig immense Vermögenszuwächse besonders bei einigen wenigen privaten Haushalten. Die Krise entsteht dadurch, dass das Verhältnis von beidem zur Realwirtschaft immer größer wird. Das Vermögen ist dabei extrem ungleich verteilt. Damit haben wir einen direkten Zusammenhang zwischen Verteilung und Schuldenkrise. Um die Schuldenkrise nachhaltig zu bekämpfen und zukünftige Krisen zu vermeiden, muss beides, die private und öffentliche Verschuldung und das (Finanz-)Vermögen, schrittweise reduziert werden. Eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Kosten der Finanzmarktkrise ist damit nicht nur aus verteilungspolitischen, sondern vor allem aus ökonomischen Gründen notwendig. Dieser Zusammenhang sowie weitere Aspekte zum Stand der Finanzmarkt- und Schuldenkrise werden eingehender in einem Hintergrundpapier von Gerhard Schick erläutert: http://gruenlink.de/3v9

2 Politik der Veränderung braucht soziale Sicherheit

Wir leben in einer Welt mit vielen Unsicherheiten. Neben der aktuellen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise, dem Klimawandel und steigender Armut, führen zunehmende Staatsverschuldung, Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und die demographische Entwicklung zu Verunsicherung und Existenzängsten. Seit Anfang des Jahrtausends schrumpft in Deutschland die Mittelschicht, dadurch gibt es mittlerweile Abstiegsängste bis in die Mitte der Gesellschaft.

In dieser Gemengelage muten wir den Menschen mit dem Grünen New Deal weitere umfassende Veränderungen zu. Der notwendige Umbau von Wirtschaft, Gesellschaft und sozialen Sicherungssystemen wird dabei nicht nur Chancen, sondern auch Belastungen mit sich bringen. Auch wenn die Menschen merken, dass es so nicht weitergeht, und den Wandel wollen, haben sie trotzdem gleichzeitig das berechtigte Bedürfnis nach Sicherheit. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Deswegen müssen wir ökonomische Perspektiven und soziale Sicherheit bieten. Der ökologische Strukturwandel der Wirtschaft und eine stabile soziale Sicherung gehören zwingend zusammen. Wir brauchen eine stabile, armutsfeste allgemeine Grundsicherung in allen Lebenslagen und Sozialversicherungen, mit denen alle Menschen abgesichert sind. Wir brauchen gleichzeitig eine nachhaltige und gerechte Finanzierung der sozialen Sicherheit durch Bürgerversicherungen und eine stärkere finanzielle Beteiligung hoher Einkommen und Vermögen.

Um den Wandel stemmen zu können, müssen alle Menschen mit den dafür notwendigen Ressourcen ausgestattet sein. Dazu gehören neben finanziellen Mitteln auch Informationen und Bildung, damit die Menschen selbstbestimmt mit dem Wandel umgehen können. Bildungssystem und soziale Sicherung sind darüber hinaus so auszugestalten, dass Abstiegsängste vermieden und Aufstiegschancen geboten werden.

3 Politik der Veränderung braucht Innovationen und Kreativität – für eine Sozialpolitik der Befähigung zur Teilhabe

Der Grüne New Deal erfordert neue Ideen und ein grundsätzliches Umdenken. Deswegen ist jede und jeder Einzelne gefordert, sich am ökologisch-sozialen Umbau zu beteiligen. Notwendig ist deshalb eine soziale Sicherung, die die Menschen nicht einschränkt und kontrolliert, sondern Kreativität freisetzt und Innovationen ermöglicht. Existenzängste, Bürokratie, Stigmatisierung, aufwändige Antragsstellung und die Drohung mit Sanktionen verhindern aber genau das. Unser Ziel der sozialen Sicherung ist es hingegen Freiräume zu schaffen. Wir wollen eine emanzipatorische Sozialpolitik, bei der die Freiheit und Befreiung der Einzelnen im Mittelpunkt steht. Auf der Basis einer stabilen, möglichst unbürokratischen Grundsicherung müssen die Menschen die Möglichkeit haben selbstbestimmt zu entscheiden, wie sie leben wollen. Die soziale Sicherung muss dabei so ausgestaltet sein, dass sie Selbständigkeit, Selbstbestimmung und die Bereitschaft, Risiken einzugehen fördert. Dazu muss sich Risiko und Eigeninitiative auch lohnen. Nicht zuletzt deswegen sind wir für eine deutliche Erhöhung der so genannten Zuverdienstmöglichkeiten. Es muss sich lohnen, selbständig oder Teilzeit erwerbstätig zu sein. Durch die dadurch implizite Förderung von Teilzeit wird darüber hinaus vor allem für Männer der Druck, Vollzeit zu arbeiten, verringern, wodurch Freiräume für andere Tätigkeiten, Entwicklung von Ideen und nicht zuletzt Anreize für eine faire Arbeitsteilung in den Familien geschaffen werden.

Soziale Sicherung muss das Ziel haben, zur Teilhabe zu befähigen, zur Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben, an der Wirtschaft und am notwendigen Wandel. Dazu sind finanzielle und ökonomische Mittel eine notwendige Voraussetzung, sie reichen aber alleine nicht aus. Um Ideen zu entwickeln, sind Wissen, know-how und vor allem Grundlagenkenntnisse notwendig. Deswegen spielt auch hier Bildung wieder eine zentrale Rolle.

Eine emanzipatorische soziale Sicherung und Bildung sind elementare Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung und Umsetzung des Grünen New Deals bei uns. Beides ist aber auch im globalen Maßstab von überragender Bedeutung. Die armen Länder brauchen sowohl finanzielles Kapital wie Humankapital, um die Krisen zu meistern. Deswegen gilt auch für die Entwicklungsarbeit: Umverteilung von reich zu arm, Stärkung der Selbstbestimmung und Investitionen in Bildung.

4 Die soziale Säule des Grünen New Deals global

Wir brauchen Investitionen in Bildung, Klima und soziale Gerechtigkeit nicht nur bei uns, sondern weltweit. Viele Entwicklungsländer können den notwendigen Umbau aber nicht aus eigener Kraft stemmen. Sie brauchen daher massive Unterstützung von den reichen Ländern des Nordens. Das 0,7%-Ziel sollte deshalb so schnell wie möglich erreicht werden, reicht aber vermutlich nicht aus. So sind zumindest für den ökologischen Umbau und Maßnahmen gegen den Klimawandel zusätzliche Mittel bereitzustellen.

Bei der Verwendung der Mittel ist wichtig, dass sie bei den ärmsten Menschen ankommen sowie Selbstbestimmung und Selbständigkeit fördern. Investitionen in Bildung und Förderung im landwirtschaftlichen Raum sind deswegen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus muss der Aufbau von sozialen Sicherungssystemen gestärkt werden, insbesondere die Gesundheitsversorgung und Grundsicherung oder Grundeinkommen. Von wichtiger und zunehmender Bedeutung ist aber auch der Aufbau von Alterssicherungssystemen. Der Auf- und Ausbau von sozialen Sicherungen in Ländern mit einem sehr hohen Anteil des Wirtschaftens im informellen Sektor erfordert dabei einen größeren Anteil an universellen Leistungen.

5 Wachstum und Verteilung

Eine gemeinsame Ursache der drei großen Krisen ist ein Wirtschaftsmodell, dass auf der Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum basiert. Global betrachtet stößt dieses System an Grenzen. Um den ökologischen Kollaps des Planeten zu vermeiden, muss der weltweite Ressourcenverbrauch drastisch reduziert werden. Zu den Ressourcen gehört dabei übrigens auch die Ressource Mensch. Die zunehmende Ausbeutung der Ressource Mensch, die sich in immer häufigeren psychischen Krankheiten, Stress bis hin zu burnouts äußern, zeigt, macht deutlich, dass es auch hier Grenzen gibt, die eigentlich schon überschritten sind.

Dabei muss Wachstum nicht per se schlecht sein. Es ist durchaus Wachstum denkbar, das mit geringerem Ressourcenverbrauch einhergeht, eine teilweise Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch ist also möglich. Allerdings geht die Entkopplung bisher üblicherweise nur so weit, dass es Wachstum bei konstantem oder maximal leicht sinkendem Ressourcenverbrauch gibt. Das wird nicht ausreichen. Hinzu kommt, dass für den Abbau der globalen Unterschiede zwischen den reichen und den armen Ländern Wachstum in den ärmsten Ländern notwendig sein wird, während wir voraussichtlich gar nicht mehr wachsen dürfen, vielleicht sogar schrumpfen müssen – gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Was notwendig ist, ist ein Abschied von Wachstum als Ziel. Das heißt nicht notwendigerweise, dass wir ein Nullwachstum oder sogar eine Schrumpfung anstreben müssen. Bestimmte Bereiche der Wirtschaft mit geringem Ressourcenverbrauch sollen wachsen, während andere schrumpfen müssen. Wenn dann am Ende Wachstum ein Wachstum des BIPs bei reduziertem Ressourcenverbrauch herauskommt, ist dagegen nichts einzuwenden. Das wird aber ohne eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftens nicht funktionieren. Dazu ist notwendig, dass wir uns von dem Wachstumszwang befreien und die Wirtschaft so umbauen, dass sie auch ohne Wachstum funktionieren würde. Das hat tiefgreifende Konsequenzen, von der Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, dem Abbau der Staatsschulen bis hin zur Verteilungspolitik. Das Versprechen, dass durch Wirtschaftswachstum auch die Ärmeren profitieren würden – der so genannte Fahrstuhleffekt, bei dem es für alle aufwärts geht – war schon im letzten Jahrzehnt mit der sich zunehmenden Spreizung der Einkommen und Vermögen ein Hohn. In einer nicht wachsenden Wirtschaft muss sich endgültig von dieser trügerischen Hoffnung verabschiedet werden. Ohne oder mit nur geringem Wachstum wird offensichtlich, dass eine Verbesserung der Situation der Schwächsten nur durch Umverteilung erreicht werden kann.

6 Politik der Veränderung muss alle mitnehmen – für eine inklusive, universelle und egalitäre Sozialpolitik

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind so groß, dass es nicht ausreicht, wenn sich die Politik oder irgendwelche Eliten darum kümmern. Der Grüne New Deal geht nur gemeinsam. Wir treten deswegen für eine inklusive, universelle und egalitäre Sozialpolitik ein, die Alle zur Teilhabe befähigt. Niemand darf zurückgelassen werden. Wir sitzen alle in einem Boot und wollen das Signal an Alle aussenden: Du gehörst dazu, wir brauchen dich. Um das notwendige Gemeinschaftsgefühl zu erreichen, dürfen weder bei der Grundsicherung noch bei der Absicherung von sozialen Risiken noch bei der Bildung Menschen ausgeschlossen sein. Darüber hinaus droht die Gesellschaft (global wie national) auseinander zu brechen, wenn die Unterschiede zu groß werden. Deswegen ist nicht nur die steigende Armut, sondern auch der immer stärker anwachsende und zum Teil unverschämte Reichtum ein Problem. Wir stehen deshalb für eine egalitäre Politik, die einerseits gleiche Chancen eintritt, andererseits aber auch dafür sorgt, dass die ökonomischen und sozialen Ungleichheiten verringert werden. Deswegen gehört zu der sozialen Säule des Green New Deal auch eine gerechte Finanzierung der Krise durch eine einmalige Vermögensabgabe. Darüber hinaus müssen öffentliche Leistungen durch eine stärkere Umverteilung in der Einkommensteuer, innerhalb der Sozialversicherungen und eine stärkere Besteuerung von Vermögen finanziert werden.

7 Grüne Basissicherung

Zu einem umfassenden Grünen Transformationsprogramm, wie das mit dem Green New Deal angestrebt wird, gehört eine finanzielle Basisabsicherung, die für alle Menschen eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht, idealerweise in Form eines Grundeinkommens für Alle. Mindestens notwendig sind aber Reformen der Grundsicherung: Die Anhebung des Regelsatzes, die Abschaffung der Bedarfsgemeinschaften, bessere Zuverdienstmöglichkeiten, keine Sanktionen unter das sozio-kulturelle Existenzminimum. Diese Reformen reichen aber nicht aus und führen ohne weitere Maßnahmen letztlich in eine Sackgasse, weil die Verbesserungen dazu führen, dass noch mehr Menschen Grundsicherung beziehen und die Hürde, den Grundsicherungsbezug zu überwinden, noch höher werden. Schon heute beziehen 8 Millionen Menschen Grundsicherungsleistungen und mindestens weitere 2 bis 4 Millionen verdeckt Arme hätten einen Anspruch darauf. Die (notwendigen) Verbesserungen der Grundsicherung würden also dazu führen, dass 13, 14 oder 15 Millionen Menschen oder sogar noch mehr Menschen in Deutschland Anspruch auf Grundsicherung hätten.

Um dies zu vermeiden wurde im Zukunftsforum „Antworten auf die auseinander fallende Gesellschaft“ eine Grüne Basissicherung als „Hybrid“ aus verbesserter Grundsicherung und Grundeinkommenselementen vorgeschlagen. Danach soll kein bedingungsloses Grundeinkommen für Alle eingeführt werden, sondern vielmehr die genannten Reformen der Grundsicherung verknüpft werden mit grundeinkommensähnlichen Leistungen oder einem Grundeinkommen für einzelne Gruppen, z.B. Kinder, Alte, Erwerbstätige, Studierende und sonstige Personen in Bildung oder KünstlerInnen. Dadurch wird die Zahl der Personen, die Grundsicherung beziehen müssen, erheblich verringert und die Grundsicherung vom Kopf auf die Füße gestellt. Mit einer solchen Grünen Basissicherung könnte eine Brücke zwischen GrundeinkommensgegnerInnen und -befürworterInnen in der Partei geschlagen werden und die Entgegensetzung diesen beiden Gruppen produktiv gewendet wird. Die Debatte um das Grundeinkommen wäre damit allerdings nicht beendet, weil weiterhin darüber diskutiert werden müsste, ob wir langfristig ein Grundeinkommen für Alle anstreben wollen.
Der Vorschlag „Grüne Basissicherung“ ist in Kapitel IV 6. des Bericht des Zukunftsforums beschrieben: http://gruenlink.de/3v8

8 Finanzierung und Reform des Steuersystems

Wer soll das bezahlen? Und vor allem: wie kann das gerecht finanziert werden? Bei internationalen Vergleichen gibt es zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnisse. Auf der einen Seite gehört Deutschland entgegen landläufigen Vorstellungen zu den Ländern mit der geringsten Steuerquote und selbst wenn Steuern und Sozialabgaben zusammengerechnet werden, liegen wir nur im Mittelfeld. Auf der anderen Seite sind mittlere Arbeitseinkommen so stark mit Steuern und Sozialabgaben belastet wie in keinem anderen Land. Eine Ursache für diesen vermeintlichen Widerspruch ist, dass Vermögen in Deutschland sehr gering besteuert werden. Deswegen brauchen wir insbesondere eine Reform der Erbschaftssteuer, die die Einnahmen erheblich erhöht. Notwendig dafür ist allerdings, die bisherigen Freibeträge deutlich herunter zu setzen und z.B. von dem Dogma, dass „Oma ihr klein Häuschen“ nicht besteuert werden darf, Abschied nehmen müssen. Denn Erbschaften sind sowohl unverdientes wie sehr ungleich und ungerecht verteiltes Einkommen. Neben der Vermögensabgabe sollte es darüber hinaus auch eine Vermögenssteuer geben, was politisch allerdings schwer durchsetzbar sein könnte.
Vor allem liegt der Widerspruch aber daran, wie wir unsere Sozialversicherungen finanzieren, nämlich ausschließlich auf Basis von Erwerbseinkommen und mit Beitragsbemessungsgrenzen, ab deren Höhen die Abgaben nicht mehr höherem Einkommen ansteigen. Wir fordern deswegen Bürgerversicherungen für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Rentenversicherung, bei der Alle auf alle Einkommen einzahlen. Das ist wichtig und richtig. Es bleibt aber das Problem, dass ab der Beitragsbemessungsgrenze die Beiträge konstant bleiben, unabhängig davon, ob jemand 10.000 Euro oder 100.000 Euro verdient. Für Reiche haben wir derzeit also schon eine Kopfpauschale. Auch wenn Steuern und Sozialbeiträge zusammengerechnet werden, führt das dazu, dass der Prozentsatz, der an Steuern und Sozialabgaben bezahlt wird, ab der Beitragsbemessungsgrenze sinkt. Um das zu vermeiden, gibt es mehrere Möglichkeiten. Erstens die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen, was aber an verfassungsmäßige und auf erhebliche politische Grenzen stößt und in der Partei bisher keine Mehrheit gefunden hat. Zweite Möglichkeit wäre eine vollständige Finanzierung der Sozialleistungen über Steuern. Das wäre theoretisch denkbar hat aber zwei Nachteile. Ökonomisch haben Beiträge den Vorteil, dass den Beiträgen eine Gegenleistung gegenübersteht, weswegen die Bereitschaft Beiträge zu zahlen höher ist, und sozialpolitisch gibt es das Problem, dass die Leistungen bei jeder Haushaltsberatung auf dem Prüfstand stehen, während die Leistungen von Sozialversicherungen schwieriger zu ändern sind. Dritte Möglichkeit wäre ein Aufschlag auf die Einkommensteuer ab der Beitragsbemessungsgrenze, der die geringe Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge ausgleicht. Das bedeutet dann einen Spitzensteuersatz deutlich über 50%, den wir auch brauchen, um den ökologischen Umbau der Wirtschaft, Investitionen in Bildung und die Reform der Sozialsysteme finanzieren und gleichzeitig Schulden abbauen zu können.