Rede: Renten für DDR-Altübersiedler
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn von Bündnis 90/Die Grünen.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Normalerweise guter Mann!)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich eine sehr sachliche Rede halten, die angemessen ist. Aber ich muss sagen: Das, was die Union hier abliefert, ist ein absolutes Trauerspiel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Ich fasse es kaum. Es geht nach dem Motto: Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe. – Sie zaubern permanent irgendwelche Gründe aus dem Hut, warum alle vorgeschlagenen Lösungen nicht gehen. Machen Sie endlich einmal etwas!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Wenn Sie unsere Vorschläge kritisieren: Legen Sie doch selbst etwas vor! Die Menschen warten auf Lösungen und nicht auf irgendwelche Hirngespinste und wahnsinnigen Gründe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sieben Jahre hätte Rot-Grün Lösungen vorlegen können! Sie haben es aber nicht gemacht!)
– Ich kann das wiederholen: SPD und Grüne haben in der damaligen Situation parallel gedacht. Das ist auch dieses Mal so.
Eigentlich wollte auch ich meine Rede mit einem Hinweis auf den schönen Wegweiser, von dem schon die Rede war, beginnen. Auch ich lese Ihnen vor, was darin geschrieben steht – der Kollege Schreiner hat das schon getan –:
Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR oder Berlin (Ost) werden in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich so behandelt, als ob sie ihr gesamtes Arbeitsleben in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt hätten.
Das war ein politisches Versprechen, das wir den Menschen, die in den Westen gekommen sind, damals gegeben haben. Dieses Versprechen ist später gebrochen worden, und es wird immer noch gebrochen. Es ist an der Zeit, das endlich zu ändern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass ausgerechnet die Menschen, die vor der DDR geflohen und in den Westen gekommen sind, durch die Wiedervereinigung benachteiligt werden. Das ist eine solche Ungeheuerlichkeit, dass mich wirklich erschreckt, dass die Union hier nichts unternehmen will.
Weil die ganze Geschichte so unsäglich ist, haben wir ein ungewöhnliches Verfahren gewählt. Wir wollten ursprünglich zusammen mit der SPD einen Antrag einbringen. Die SPD war dann schneller. Wir standen vor der Entscheidung: Unterstützen wir diesen Antrag einfach nur, oder stellen wir einen wortgleichen Antrag, um zu unterstreichen, welche Bedeutung dieses Thema für die Betroffenen hat?
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hoffentlich haben Sie auch eine Quelle angegeben!)
Diesen Weg sind wir gegangen.
Ich fand die Idee des Kollegen Schaaf, die Stichtagsregelung anzuwenden, sofort sehr gut und sehr nachvollziehbar. Wir haben das dann mit unseren Juristen abgeklärt; das hat ein bisschen gedauert. Auch sie haben gesagt: Das ist juristisch haltbar. – Wenn Sie anderer Meinung sind: Machen Sie es besser! Aber machen Sie irgendetwas!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Der Musterbrief von Herrn Schiewerling und Peter Weiß strotzt nur so vor juristischen Feinheiten, die für die Betroffenen völlig irrrelevant sind.
(Otto Fricke [FDP]: Was? Der Rechtsstaat ist irrelevant? Interessant!)
Darin stehen sehr schöne Sätze. Es heißt, dass man den Betroffenen irgendwie helfen will und dass man Verständnis für sie hat. Aber heute hat man gemerkt: Sie wollen den Menschen überhaupt nicht helfen. Sie haben nicht einmal ansatzweise dargestellt, was getan werden könnte. Ich muss sagen: Ich bin wirklich fassungslos und weiß kaum, was ich sagen soll.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ich bin fassungslos über das Verhalten von SPD und Grünen!)
Schließen möchte ich, indem ich aus dem Schluss des Vorworts des erwähnten Wegweisers zitiere. Da heißt es:
Verlieren Sie bitte nicht die Geduld, wenn hier und da einmal etwas nicht so reibungslos läuft, wie Sie erhofft hatten.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)
Manches Warten und manche Schwierigkeiten werden sich nicht vermeiden lassen. Aber machen Sie dennoch von Ihren Rechten Gebrauch.
Das haben die Menschen getan.
Sie können dabei stets auf die verständnisvolle und sachverständige Unterstützung der für Ihre Belange zuständigen Stellen rechnen.
Für viele DDR-Flüchtlinge klingt das mittlerweile wie ein Hohn, genau wie das, was Sie auch heute wieder von sich gegeben haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Betroffenen warten schon viel zu lange.
Der Vorschlag von SPD und Grünen liegt auf dem Tisch. Wenn Sie ihn nicht gut bzw. problematisch finden: Machen Sie es besser! Finden Sie nicht wieder irgendwelche Gründe, die gegen unseren Vorschlag sprechen! Ich bin davon überzeugt, dass auch der Kollege Lange gleich nur sagen wird, was an unserem Vorschlag nicht geht. Sagen Sie, was geht! Geben Sie den Leuten wenigstens ein Stück weit Hoffnung.
Wir sind gerne bereit, konstruktive Verhandlungen zu führen. Wir haben unsere Anträge vor fast einem Jahr, im Frühjahr/Frühsommer 2011, eingebracht und Ihnen viel Zeit gegeben, in einen konstruktiven Dialog mit uns zu treten. Es ist nichts, aber auch gar nichts passiert. Auch in Ihrem Musterbrief wird nur argumentiert, warum unser Vorschlag nicht geht. Legen Sie endlich eigene Vorschläge vor! Tun Sie etwas! Sie sind an der Regierung. Wir machen im Sinne der Betroffenen gerne mit. Die haben es nämlich wirklich nötig.
Danke schön.
am 31. Januar 2012 um 10:20
Sehr geehrter Herr Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
ich als Betroffene bin verzweifelt. Was können wir jetzt noch tun?
Was gedenkt ihre Partei weiterhin zu tun?
Mit freundlichen Grüßen
Heidemarie Fischer