Veranstaltung: „Mit mehr Europa aus der Krise“

Gepostet am Donnerstag, den 2. Februar 2012 um 15:23 in Finanzkrise,Pressemitteilung,Wirtschafts- und Finanzpolitik
Fulda Europa - Podium

Platzer (FH Fulda) und Strengmann-Kuhn (MdB Bündnis 90/ Die Grünen) diskutierten mit Fuldaer Bürgern

Unter der Moderation von Ralf Zwengel von der Heinrich-Böll-Stiftung Hessen diskutierten am 31. Januar  in Fulda rund 50 Gäste gemeinsam mit dem Fuldaer Politikwissenschaftler Hans-Wolfgang Platzer und dem grünen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn die Europakrise. Zur Veranstaltung in der Red Corridor Gallery hatte der Kreisverband der Grünen Fulda eingeladen.

In seiner Einleitung führte Moderator Zwengel aus, dass die 2007 begonnene Europakrise allein schon durch ihre Dauer immer größer und bedrohlicher wirke. Immer neue Rettungsmaßnahmen machten es schwer, in der Sache noch zu folgen. Da offenbar keine Klarheit über die Ursachen der Krise herrsche, gebe es auch keine Klarheit über die Lösungen.

Platzer, der seit 1992 an der FH Fulda lehrt, betonte im Anschluss daran, wie wichtig die Aufklärung der Bevölkerung über die Krise sei. Denn sowohl die Diagnose der Ursachen der Krisen als auch die Therapieansätze seien interessengebunden. Unterschiedliche Perspektiven auf die Krise, führten zu einer unterschiedlichen Lastenverteilung bei ihrer Lösung. Seiner Meinung nach handele es sich um eine „epochale Krise des Wirtschaftsparadigmas von Reagan und Thatcher“. Sie sei  durch drei Verursacherketten ausgelöst worden: Die Weltfinanzmarktkrise 2008, die noch nicht bewältigt sei, habe sich in der EU und den Konstruktionsfehlern des Euros niedergeschlagen und schließlich Haushaltsprobleme einzelner Länder aufbrechen lassen.

Strengmann-Kuhn, selbst habilitierter Wirtschaftswissenschaftler erklärte, dass die Benennung der Europakrise als Schuldenkrise irreführend sei. Zwar gebe es auf der einen Seite zu viele Schulden, auf der anderen Seite entstehe durch die Schulden aber auch zu viel Vermögen. Es handele sich bei der Europakrise letztlich um ein Verteilungsproblem. Eine reine Ausgabenreduzierung auf der Schuldnerseite bringe keine Lösung. Gleichzeitig müsse die „Vermögensblase“ aufgelöst werden, indem u.a. die Finanzmärkte stärker reguliert würden.

Auf die Frage, inwiefern auf Seiten der Politik überhaupt noch ein Verständnis für die komplexen Zusammenhänge bestünde, erläuterte Strengmann-Kuhn, wie sich die  grüne Bundestagsfraktion ihre Meinung bilde. Bei nahezu jedem Treffen werde mit den Experten aus den eigenen Reihen, aber auch externen Fachleuten die Europakrise diskutiert. Dabei habe es sich als wichtig und hilfreich erwiesen, immer wieder einfach mit gesundem Menschenverstand nachzufragen. Im Verlauf der Krise hätten dadurch alle Fraktionsmitglieder einen großen Lernprozess durchgemacht. Als schwierig beschrieb Strengmann-Kuhn die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung. Diese habe seiner Meinung nach den Fehler begangen, sinnvolle Maßnahmen zunächst zu blockieren, um sie dann später doch noch zu beschließen. Der Zeitpunkt, wann eine Maßnahme ergriffen werde, sei aber gerade in Finanzangelegenheiten ein entscheidender Faktor, der über ihren Erfolg oder Misserfolg entscheide.

Auf den Vorwurf, dass z.B. mit der Unterstützung Griechenlands Geld rausgeschmissen werde, reagierten Strengmann-Kuhn und Platzer ähnlich. Beide halten eine Unterstützung Griechenlands für unausweichlich. Da die europäischen Staaten miteinander verflochten seien, drohe ansonsten ein Flächenbrand. Zudem sei die Krise einzelner Staaten nicht nur hausgemacht, sondern auch durch gemeinsame Fehler bei der Währungsunion verursacht. Eine „Bestrafung“ der Krisenstaaten durch höhere Zinsen entspreche zwar den Regeln der Marktwirtschaft, verschärfe aktuell aber nur die Krise Lage anstatt zu ihrer Lösung beizutragen.

Neben Eurobonds oder einem Schuldentilgungsfonds zur Bewältigung der Schulden sei gleichzeitig für mehr Wachstum in den Krisenstaaten zu sorgen, um sie langfristig zu stärken und das wirtschaftliche Ungleichgewicht im europäischen Raum zu verringern. Des Weiteren sei eine Reform der EU-Institutionen anzustreben. Bislang habe man sich auf eine gemeinsame Geldpolitik beschränkt. Darüber hinaus sei eine engere Koordination auch bei der Wirtschafts-, Haushalts-, Finanz- und Sozialpolitik nötig.
In der Grünen Bundestagsfraktion werde dafür eine Reform der EU über einen neuen europäischen Konvent, die Neuaufstellung der Institutionen und eine europäische Verfassung diskutiert. Platzer bewertete diese Forderung zwar positiv, sieht aber kaum Erfolgsaussichten für eine Reform der EU. Als Hindernis nannte er insbesondere das britische Veto. Als wahrscheinlicher erscheine es, dass z.B. unter den Ländern der Eurozone weitere Vereinbarungen getroffen werden und es so hinsichtlich der Integration zu einem „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ komme. Problematisch bei einem solchen Vorgehen sei aber, inwieweit die Parlamente beteiligt werden.

Platzer befürchtet, dass die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Euro-Staaten in den letzten Monaten gestiegen ist. Der europäische Gedanke habe in der Bevölkerung bereits Schaden genommen. Er warnte vor wiederaufkeimenden Nationalismen und Feindbildern. Die Bürger müssten für diese Gefahren sensibilisiert werden.Auch Strengmann-Kuhn betonte die politischen Dimensionen Europas. Der Euro habe unzweifelhaft das Potential neben dem Dollar zu einer Leitwährung zu werden und damit ein zweiter Stützpfeiler für die Stabilität der Welt zu werden. Auch demokratisch sei Europa eine wichtige Errungenschaft. Der Euroskeptizismus sei daher fatal.

Bei Rückfragen steht Ihnen Alja Epp-Naliwaiko (Tel. 0661-74924 – Email: info@gruene-fulda.de ) gerne zur Verfügung.

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