Rede zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz)

Gepostet am Donnerstag, den 9. Februar 2012 um 16:32 in Alterssicherung,Verschiedenes

 

Weiterführende Dokumente:

Entschließungsantrag der Bundestagsfraktion [PDF]

Protokoll der Rede:

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung verfolgt mit dem Gesetzentwurf unter anderem das Ziel, die Verwaltungskosten zu reduzieren. Das ist richtig und wichtig. Das hat der Kollege von der Linken gerade schon angemerkt.

Der Bundesrechnungshof ‑ Sie kennen die Stellungnahme ‑ hat berechnet, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung jeder Mitarbeiter 350 Prozent mehr Versicherte betreut als in der Alterssicherung der Landwirte. 350 Prozent! Das zeigt, wie groß das Potenzial für effizientere Strukturen in der Alterssicherung der Landwirte insgesamt ist. Hier muss gehandelt werden. Mit diesem Gesetzentwurf springen Sie allerdings viel zu kurz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir begrüßen auch, dass die Bundesregierung die Hofabgabeklausel zumindest einschränken will. Aber auch bei der Hofabgabe springt die Bundesregierung zu kurz, und wer zu kurz springt, der verfehlt oft gänzlich das Ziel. Die Hofabgabeklausel gehört abgeschafft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Familiäre Strukturen in den landwirtschaftlichen Betrieben sind heute anders als vor 50 Jahren.:Die Zahl der Kinder nimmt ab, die Lebensentwürfe der Menschen sind vielfältiger geworden, immer mehr Kinder von Landwirtinnen und Landwirten arbeiten gar nicht mehr in der Landwirtschaft. Derzeit geben in Deutschland zwei Drittel der Betriebsinhaber über 45 Jahren an, keine gesicherte Hofnachfolge zu haben. Hofabgaben scheitern oft daran, dass sich keine Junglandwirtinnen und Junglandwirte finden, die den Hof übernehmen wollen. Mit der Hofabgabeklausel zwingen Sie Landwirtinnen und Landwirte jedoch, sich zu entscheiden: entweder weiterarbeiten und keine Rente beziehen oder eine Rente beziehen und den Hof nicht mehr bewirtschaften. Das ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Die Hofabgabeklausel muss weg. Sie ist ungerecht, altersdiskriminierend und hat sich überlebt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Mittlerweile sind knapp 50 Prozent der potenziell in der Alterssicherung der Landwirte Versicherten von der Versicherungspflicht befreit; das ist schon gesagt worden. Die Hofabgabe läuft auch deswegen völlig ins Leere. Dieser hohe Anteil kommt unter anderem daher, dass immer mehr Landwirtinnen und Landwirte zusätzlich einer anderen versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen und sich von der Versicherungspflicht befreien lassen können, und das schon ab der Geringfügigkeitsgrenze. Insgesamt wird oft nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt, sodass Altersarmut vorprogrammiert ist. Auch das ist ein Punkt, Frau Ministerin von der Leyen, den Sie im Regierungsdialog und bei der Bekämpfung von Altersarmut berücksichtigen sollten. Also: Auch den Landwirten droht Altersarmut. Auch dieses Problem müssen wir anpacken.

In der Alterssicherung der Landwirte gibt es heute bei 600 000 Rentnerinnen und Rentnern gerade einmal 250 000 Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, also mehr als doppelt so viele Rentnerinnen und Rentner wie Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel natürlich auch vor der Landwirtschaft nicht haltmacht und den strukturellen Wandel damit noch verstärkt. Es ist klar, dass die Alterssicherung für Landwirte nicht dauerhaft lebensfähig ist, wenn wir nicht umfassend reformieren. Deshalb brauchen wir eine umfassende und vor allen Dingen auch nachhaltige Perspektive für die Alterssicherung der Landwirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass diese Perspektive nur die Integration der landwirtschaftlichen Alterssicherung in die gesetzliche Rentenversicherung sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN ‑ Zuruf des Abg. Norbert Schindler (CDU/CSU))

Das ist zugegebenenermaßen nicht einfach und eine große Herausforderung. Wir müssen uns meines Erachtens aber dieser Herausforderung stellen, um die Alterssicherung von Landwirtinnen und Landwirten nachhaltig sicherzustellen, die jetzt am Tropf des Steuerzahlers hängt. Wenn man die demografische und strukturelle Entwicklung betrachtet, wird klar, dass wir nachhaltige Lösungen finden müssen. Mit diesem Gesetzentwurf springen Sie definitiv zu kurz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grünen möchten auch in der Landwirtschaft flexible Übergänge in den Altersruhestand schaffen. Deswegen fordern wir die Abschaffung der Hofabgabe. Wir möchten eine gerechte und nachhaltige Finanzierung der Alterssicherung der Landwirte, und wir brauchen einen besseren Schutz gegen Armut im Alter, auch und gerade für Landwirtinnen und Landwirte.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

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