Rede zu "Risiken der Riester-Rente offenlegen – Altersvorsorge von Finanzmärkten entkoppeln"

Gepostet am Montag, den 18. Juni 2012 um 15:05 in Alterssicherung,Riesterrente

Rede vom 14.06.2012 zum Antrag DIE LINKE: Risiken der Riester-Rente offenlegen – Altersvorsorge von Finanzmärkten entkoppeln

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde den Antrag der Linken auch nicht wahnsinnig toll, aber ich glaube, die Kritik von Herrn Schäffler geht ein bisschen an der Sache vorbei.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wie so vieles bei der FDP!)

Mit Argumenten aus der Mottenkiste braucht man, glaube ich, nicht zu kommen.

Ich fand den Antrag der Linken in seiner Gesamtheit eher lustig. Am Anfang wird auf die Riester-Rente draufgehauen, teilweise mit richtigen Argumenten, teilweise überzogen und teilweise mit aus unserer Sicht falschen Argumenten. Dann folgt die Schlussfolgerung; ich dachte, jetzt kommt: Weg mit Riester! Hau weg den Mist! – Was aber kam? Sie fordern einen Bericht. Das ist großartig. Wenn das so weitergeht, kann ich nur sagen: Die Linken sind mittlerweile ziemlich harmlos.

(Beifall der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald

[DIE LINKE]: Eine einsame Klatscherin! Zur

Klarstellung fürs Protokoll!)

Zum Inhaltlichen: Es ist völlig richtig, dass man die Alterssicherung im Ganzen sehen muss. Ich habe dabei ein etwas anderes Bild vor Augen. Ich finde, die Alterssicherung ähnelt der Akropolis. Sie ist inzwischen alt, war aber einst ein schönes Modell. Es wäre falsch, sie abzureißen; man muss sie vielmehr stabilisieren bzw. neu aufbauen. Sie ist durch die Umweltbedingungen ein bisschen angegriffen und muss entsprechend angepasst werden.

Wichtig ist bei der Akropolis wie bei der Alterssicherung, dass es ein stabiles Fundament gibt. Als Fundament ist die Riester-Rente nicht geeignet, weil sie zu unsicher ist. Das Fundament muss stabil sein und aus der umlagefinanzierten Rente finanziert werden; gegebenenfalls muss steuerfinanziert etwas zur Absicherung vor Armut getan werden. Wir sagen: Die umlagefinanzierte Rente muss der Kern unseres Rentensystems bleiben, und das Fundament muss solidarisch finanziert werden. Nur dann wirken nämlich die Säulen, die darauf aufgebaut werden und den Lebensstandard sichern: die gesetzliche Säule, die private Säule und die betriebliche Säule.

Die private Säule ist – das ist eben schon richtig gesagt worden – noch nicht so stabil und stark, wie wir uns das eigentlich damals erhofft haben. Es gibt offensichtliche Mängel, die wir angehen müssen.

Einer dieser Mängel ist, dass wir nicht genau wissen, was es alles an Mängeln gibt. Einer der Fehler, den wir damals gemacht haben, ist, dass wir nicht wie bei den Hartz-Gesetzen gleich eine Evaluation mitbeschlossen haben. Wir wissen relativ wenig über die Wirkung der Riester-Rente. Ich glaube, dass an dieser Stelle unbedingt nachgebessert werden muss. Vor diesem Hintergrund, finde ich, ist die Forderung nach einem Bericht durchaus berechtigt. Darüber kann man diskutieren. Insofern korrigiere ich das „harmlos“ bezogen auf die Linken zu „überwiegend harmlos“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im

nächsten Schritt wird es dann „gut“!)

Folgende Baustellen gibt es aus unserer Sicht:

Erstens. Die Riester-Rente sollte die durch das abgesenkte Rentenniveau entstandene Lücke schließen, und zwar bei allen Einkommensgruppen. Das ist leider bisher nicht erreicht. Die entsprechende Zahl ist schon genannt worden: Nach aktuellem Stand gibt es insgesamt 15,5 Millionen Verträge. Da eine kleine Anzahl von Personen mehrere Verträge haben, haben wahrscheinlich 13 Millionen bis 15 Millionen Menschen einen Riester-Vertrag. Die genaue Zahl kennen wir in der Tat nicht. Aber es ist weniger als die Hälfte der Berechtigten. Da muss also nachgebessert werden. Hinzu kommt: Insbesondere im unteren Einkommensbereich gibt es noch sehr viel weniger Menschen, die einen Riester-Vertrag haben. Wir wollen aber, dass auch in diesem Bereich die Menschen durch die gesetzliche Rente plus Riester-Rente ihren Lebensstandard sichern können. Auch da müssen wir definitiv nachbessern.

Die zweite Baustelle ist ein verbesserter Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz. Wer hat wirklich einen Überblick über die mittlerweile 5 000 Produkte? Ich jedenfalls nicht. Auch für einen funktionierenden Wettbewerb ist es wichtig, eine übersichtliche Zahl von Produkten zu haben. 5 000 sind eigentlich zu viel.

Dann ist es so, dass die Produkte nicht wirklich vergleichbar sind. So etwas wie ein Produktinformationsblatt ist sicherlich wichtig, wobei zu fragen ist, was genau darin enthalten sein soll. Es muss klar sein, wann sich eine Riester-Rente tatsächlich lohnt. Da gehen die Meinungen ja sehr auseinander. Die Berechnungen des DIW bzw. des Bundes der Versicherten zeigen, dass nicht eindeutig klar ist, dass sie sich für alle lohnt. Wir haben den Anspruch, dass sich die Riester-Rente auch ohne Zuschüsse und Zulagen lohnt. Auch das muss aus einem Produktinformationsblatt hervorgehen.

Darüber hinaus brauchen wir eine Gesamtübersicht über die gesetzliche, private und betriebliche Alterssicherung. Auch hier herrscht nicht genügend Transparenz. Wir brauchen eine verbesserte und unabhängige Beratung des Einzelnen. Es gibt gute Projekte wie das PROSA-Projekt der Rentenversicherung in Baden-Württemberg, bei dem die Betreffenden in einem 90-Minuten-Gespräch über Sicherungslücken und Nachbesserungsbedarf aufgeklärt werden. Auch das wäre für uns ein wichtiger Punkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritte Baustelle ist, zu klären, was denn mit dem Geld eigentlich gemacht wird. Durch die Finanzmarktkrise ist uns ja bewusst geworden, dass es im Hinblick auf alle Finanzmarktprodukte eine wichtige Frage ist, in welcher Form die Gelder auf den Finanzmärkten angelegt werden. Fragen Sie einmal bei Ihrer Bank nach, was mit Ihrem Geld gemacht wird. Bei meiner Bank würde ich eine Antwort bekommen. Manche Banken werden darauf eine Antwort geben, die meisten aber nicht. Aber auch im Rahmen der Riester-Rente wäre es wichtig, Transparenz darüber zu schaffen, was mit dem Geld tatsächlich passiert: Ist es sicher angelegt? Ist es nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien angelegt? – Wir sind der Meinung: Wenn der Staat viel Geld für die Förderung ausgibt, sollte er auch steuernd tätig werden. Das heißt, ethische, ökologische und soziale Kriterien sollten eine größere Rolle spielen, als es bisher der Fall ist. Aber auch das Kriterium Sicherheit muss berücksichtigt werden. Zudem sollte die BaFin das Ganze kontrollieren. Darin bin ich mir mit Herrn Middelberg einig.

Zusammenfassend kann ich drei zentrale Baustellen feststellen: Wir brauchen eine stärkere und gezieltere Regulierung, um zu wissen, was mit dem Geld gemacht wird. Wir brauchen einen besseren Verbraucherschutz. Die Menschen dürfen nicht abgezockt werden und müssen gut informiert werden. Wir müssen die Riester-Rente so weiterentwickeln, dass sie auch Menschen mit geringem Einkommen den Lebensstandard sichert. Das sind die Baustellen, die wir anpacken müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen Bericht vorzulegen, reicht nicht aus. Wir müssen wirklich etwas verändern.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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