PM: Von der Leyens Rentenpolitik: Großes Klappern, nichts dahinter

Zur Rentenpolitik von Ursula von der Leyen und der Nachricht, dass die Pflichtversicherung für Selbständige möglicherweise doch nicht kommt, erklärt Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Rentenpolitik:

Die Bundesregierung und insbesondere die Ministerin stellt sich in der Rentenpolitik einmal mehr ein Armutszeugnis aus. Mit der Verschiebung der geplanten Rentenversicherungspflicht für Selbstständige legt die Ministerin ein weiteres ihrer wortreich angekündigten Prestigeprojekte ad acta. Ob in Sachen Altersarmut, Ost-West-Renten, Rente für Selbständige oder Riesterreform – Ursula von der Leyen bleibt in Sachen Rente wenig mehr als eine bloße Ankündigungsministerin. In keinem dieser im Koalitionsvertrag selbst gesteckten Ziele hat sie wirksame Konzepte vorgelegt.

Die Bundesministerin hat die Sommerpause nicht genutzt, um ihre rentenpolitischen Vorstellungen praxistauglich umzusetzen und mit den anderen Ministerien abzustimmen. Statt dessen legt sie einen erneut unabgestimmten Referentenentwurf eines Gesetzes für ihre Zuschussrente vor – mit einer dritten Modifikation, mit komplizierten, verwaltungsaufwändigeren und undurchschaubareren Regelungen vor.

Wir setzen uns weiterhin dafür ein, Selbstständige in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung mit einzubeziehen. Die Förderung von Selbständigkeit braucht auch ein höheres Maß an sozialer Sicherheit. Die gesetzliche Rentenversicherung kann Erwerbstätige besser absichern als private Vorsorgeunternehmen. Nur so sind die Kontinuität des Versicherungsschutzes und der Schutz der aufgebauten Anwartschaften bei Insolvenz gewährleistet.

Wir wollen auch dafür sorgen, dass die Rentenversicherung eine leistungsstarke Solidargemeinschaft bleibt: Wir wollen deshalb die Rente schrittweise zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln, in die alle einzahlen und durch die langfristig alle abgesichert sind. Außerdem brauchen wir ein transparentes und unbürokratisches Mindestniveau für langjährig Versicherte in der gesetzlichen Rente durch eine Garantierente, auf die dann auch die Selbständigen einen Anspruch erwerben.

Schließlich muss der Rentenwert Ost auf das Westniveau angehoben werden, damit die Menschen im Osten, die besonders von Altersarmut bedroht sind, das gleiche garantierte Mindestniveau in der Rente erhalten wie im Westen.

Von der Leyen schafft es nicht einmal, eines dieser Projekte vernünftig umzusetzen.

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5 Kommentare zu "PM: Von der Leyens Rentenpolitik: Großes Klappern, nichts dahinter"

  1. Carina Berberig sagte,

    am 13. August 2012 um 17:32

    Und was hat Rot-Grün geschafft? Nichts. Sparen Sie sich ihre Polemik, Herr Strengmann-Kuhn.

  2. Martin von Elm sagte,

    am 13. August 2012 um 18:47

    Ich habe viele Jahre lang Grün gewählt. Aber jetzt werde ich das nicht mehr machen. Ihr habt doch keine Ahnung von uns Selbstständigen !
    Ich bin freiberuflicher Heilpraktiker. Ich verdiene damit bescheiden aber seit vielen Jahren so viel um mich und meine Familie damit durchzubringen. Ich will überhaupt nicht eine Rentenversicherung gezwungen werden !!! Seit wann sind die Grünen für Gewalt und Zwang ? Macht gute freiwillige Angebote und ich trete freiwillig in die GRV ein, ich bin auch immer noch freiwillig in der gesetzlichen KV weil ich es als sicherer betrachte.
    Aber wenn ich gezwungen werde jeden Monat hunderte von Euro zusätzlich aufzubringen wenn meine Einkünfte das gerade nicht hergeben dann bin ich pleite, dann kann ich meine mühsam erkämpfte Arbeit an den Nagel hängen und H4 beantragen, das ist die Realität. Ausserdem brauche ich als Heilpraktiker nicht mit 67 in Rente zu gehen wenn ich das nicht will.
    ALSO : ZWANGSBEGLÜCKUNG GRÜN ? NEIN DANKE !

  3. G sagte,

    am 13. August 2012 um 20:31

    Die gesetzliche Rente wäre basierend auf dem heutigen, durch die arbeitende Bevölkerung getragenen System – mit Verlaub – m.E. noch größerer Mist! Spätestens wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, gibt’s da ein massives Problem (Einzahlungen fehlen, Auszahlungen erhöhen sich), das durch rentenberechtigte Selbständige weiter vergrößert werden würde.
    Das gesetzliche Rentensystem der heutigen Form muss auf ein gesundes, d.h. nachhaltiges Maß, zurückgefahren und nicht weiter aufgebläht werden.
    Wir brauchen Pluralismus, keine Monokulturen! Von einem Grünen-Politiker würde ich erwarten, dass er weiß, dass Monokulturen nur mit Insektiziden am Leben zu halten sind. Ein gesundes Biotop weist eine hohe Artenvielfalt auf. So ist es auch mit der Altersvorsorge: Nur Vielfalt führt zu volkswirtschaftlicher Stabilität.
    Pluralität heißt für die Altersvorsorge, dass neben Umlage-Systemen und kapitalgedeckten Versicherungen auch nachversteuerte Bankkonten (incl. Depots), Immobilien, Firmenbeteiligungen (insbes. für Selbständige), Rohstoffe, in- und ausländische Investitionen, innerfamiliärer Ausgleich, höhere Lebensarbeitszeit etc. – jeder nach seiner eigenen Einschätzung – eine zunehmende Rolle spielen sollten.
    Schlägt eine der Vorsorge-Varianten fehl (im Voraus weiß keiner, welche das sein wird), so bricht nicht gleich für alle die Altersvorsorge zusammen, sondern durch Umverteilung innerhalb der Generation kann der erlittene Verlust für Einzelne abgefedert werden. (Auch die Umlagefinanzierten können von den Verlusten betroffen sein; doch woher nehmen, wenn alle umlagefinanziert sind?) Außerdem identifiziert sich jeder mit seiner gewählten Art der Vorsorge, so dass er auch dann, wenn’s schlechter als erwartet läuft, weniger laut nach Hilfe rufen wird. Anders wird es sein, wenn er gegen seine Überzeugung zu einer zentralistisch diktierten, aber leider gescheiterten Absicherung gezwungen wurde und die eigene Wahl besser funktioniert hätte; wer übernimmt dann die Verantwortung?

  4. am 15. August 2012 um 17:21

    @ Martin von Elm: Leider haben wir derzeit einen Flickenteppich, was die Absicherung von Selbständigen im Alter angeht. Da sind zum einen die „Katalog-Selbständigen“ des § 2 SGB VI, die kraft Gesetzes und somit auch gegen ihren Willen versicherungspflichtig sind (z. B. selbständige Lehrer oder Handwerksmeister), dann gibt es die Angehörige von Kammerberufen, die Zwangsmitglieder in ihren Versorgungseinrichtungen sind (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, etc) und dann alle übrigen Selbständigen, die zu keiner Absicherung gezwungen sind.

    Es gibt die Selbständigen, die hochmütig erklären, wie toll sie denn privat abgesicherte seien. Kommen ein, zwei schwierige Geschäftsjahre, dann sparen sich Selbständige die Rücklagen fürs Alter oder lösen ihre Spartöpfe auf. Nach einer Insolvenz fallen sie dann der Gemeinschaft zu last. SO DARF ES NICHT WEITERGEHEN.

    Die Vorschläge von SPD und Grünen Richtung Bürgerversicherung (Erwerbstätigenversicherung) gehen in die richtige Richtung. So gesehen, haben die Grünen durchaus Ahnung von dem, was sie tun. 🙂 Über die Einzelheiten muss man reden. Wie das Thema Riester-Rente zeigt, tut aber ein bisschen „Zwang“ zur Altersvorsorge nicht schlecht. Freiheit auf des Einzelner darf nicht zur Unfreiheit der Gemeinschaft führen.

  5. G sagte,

    am 16. August 2012 um 17:30

    @Dirk R. Schuchardt: Sorry, aber laut Alterssicherungsbericht 2008 der Bundesregierung (der neuest verfügbare) ist die Faktenlage eine andere.
    Nach Tabelle BC.27 bezogen 4% der ab 65-jährigen Selbständigen Transferleistungen, eingeschränkt auf die Transferleistungsempfänger, 267 EUR monatlich, durchschnittlich also 0,04 * 267 EUR = 10,68 EUR monatlich. Durchschnittlich zahlte ein ab 65-jähriger Selbständiger aber 334 EUR an Steuern und Sozialabgaben monatlich. Ein durchschnittlicher Selbständiger ab 65 zahlt also 334 – 11 = 323 EUR monatlich an den Staat.
    Anders formuliert: Bereits 3% der Durchschnitts-Selbständigen ab 65 finanzieren die 4% Transferempfänger ab 65.

    Es kann also keine Rede davon sein, dass Selbständige im Alter der Allgemeinheit zu Last fallen. Im Gegenteil: Sie sind höhere Nettozahler als andere Bevölkerungsgruppen.

    Vergleichen Sie dazu die Tabellen BC.25 (Arbeiter/Angestellte) und BC.26 (Beamte).

    Eine wie auch immer geartete „Altersvorsorge“-Pflicht für Selbständige kann also nichts mit Altersvorsorge (jedenfalls nicht der Selbständigen) zu tun haben (sofern Sie „Ahnung“ unterstellen).
    Sondern es geht offensichtlich nur um mehr Kontrolle (Einschränkung der Bürgerrechte) und eine neue Einnahmequelle („Abzocke“).
    Statt durch Zwang könnte durch nachgelagerte Besteuerung zum Sparen animiert werden.

    Vernichtete Altersvorsorge durch Insolvenz, inklusive Privat-Insolvenz, nach langer Berufstätigkeit ließe sich durch ein pfändungssicheres Teilvermögen (frei wählbarer Art, nicht eingeschränkt auf RV-Versicherungen) abwenden.

    Schwierige Geschäftsjahre gibt es immer wieder. Die kann man aber auch überwinden, indem man seine Ansprüche zurückschraubt (Ausgabenstopp, Konsumverzicht). Zusätzliche Zwangsabgaben sind da nicht gerade förderlich.

    Ihre Schreckenszenarien sind innerhalb der o.g. 4% Transferempfänger zu suchen, also innerhalb einer kleinen Minderheit. Das ist bei einer Minderheit unter den Arbeitern und Angestellten trotz RV-Pflicht genauso.

    Um soziale Härten abzufedern, hielte ich ein unbedingtes, steuerfinanziertes Sockel-Einkommen für jedermann (mit Wohnsitz und Hauptaufenthalt in Deutschland) von wenigen 100 EUR (max. 400 EUR, so niedrig, dass sich Arbeit in jedem Fall lohnt), gegenfinanziert insbesondere durch eine Senkung des Eingangssteuersatzes, Alg II und BaföG und durch Subventionsabbau (Wirtschaftsförderung und Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rente) und reduzierte Verwaltungskosten (da an keine komplizierten Bedingungen gebunden) für denkbar. Formal könnte das durch eine negative Einkommenssteuer realisiert werden (bei der Berechnung des zu verteuernden Jahres-Einkommens werden z.B. 4000 EUR subtrahiert; negatives zu versteuerndes Einkommen wird mit 10% vergütet).
    Das ist dann zwar auch ein Umlageverfahren, belastet aber (durch teilweise Entkopplung) nicht ausschließlich die Arbeitsleistung .