Die Grüne Garantierente – Beschluss der Bundestagsfraktion vom 27.11.2012

Gepostet am Donnerstag, den 29. November 2012 um 14:16 in Altersarmut,Alterssicherung

Positionspapier Garantierente (PDF)

Wir wollen die Rentenversicherung so ausgestalten, dass für langjährig Versicherte der Bezug von Grundsicherung im Normalfall vermieden wird. Wir schlagen eine steuerfinanzierte Garantierente vor, mit der ein Mindestniveau von rund 850 Euro für Versicherte mit 30 oder mehr Versicherungsjahren innerhalb der Rentenversicherung eingeführt wird. Wir streben gleichzeitig die Einbeziehung weiterer Gruppen in der Rentenversicherung an. Zielrichtung ist auch in der Rentenversicherung die Einführung einer Bürgerversicherung.

Altersarmut umfassend bekämpfen

Die Einkommensschere zwischen arm und reich geht in unserer Gesellschaft weiter auseinander. Dies betrifft auch die Älteren. Rund 15 Prozent von ihnen sind von dem Risiko der Einkommensarmut betroffen. Wenn wir nicht entschieden gegensteuern, wird die Schere bei den Alterseinkommen weiter auseinandergehen. Ohne Gegenmaßnahmen werden die Altersarmut und der Bezug von Grundsicherung im Alter in den nächsten Jahren gravierend zunehmen. Noch beziehen nur 2,3 Prozent der über 65-jährigen Grundsicherung nach dem SGB XII, doch die Tendenz ist steigend und die Dunkelziffer der verdeckt Armen ist in dieser Gruppe höher als etwa im ALG II. Das Zusammenwirken von dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit, gebrochenen Erwerbsbiographien, ausgeweitetem Niedriglohnsektor, die Zunahme von Selbständigen mit geringen Einkommen sowie das sinkende Rentenniveau erhöht für eine wachsende Zahl von künftigen Rentnerinnen und Rentnern das Armutsrisiko. Besonders betroffen sind heute Personen mit unterbrochenen Versicherungsbiografien, Teilzeiterwerbstätige, Soloselbständige, Geringverdienende, und über 75-Jährige. Eher Frauen (und hier vornehmlich Mütter) werden nach bisheriger Prognose auch zukünftig nur eine geringe Rente beziehen. Dieser Entwicklung wollen wir mit einer zweigleisigen Strategie entgegenwirken. Zum einen wollen wir die notwendigen Maßnahmen treffen, um den beschriebenen Erosionstendenzen am Arbeitsmarkt entgegen zu wirken, und die Vorsorge fürs Alter verbessern, damit bereits während des Erwerbslebens ausreichende Rentenansprüche aufgebaut werden. Zum anderen wollen wir künftig für diejenigen, die trotz dieser Maßnahmen keine armutsfeste Rente erhalten, die gesetzliche Rente für langjährig Versicherte mit einem zusätzlichen Element, der Garantierente, ergänzen.

Neben der Garantierente sind folgende Punkte wichtige Elemente der grünen Strategie gegen Altersarmut:

  1. Eine Arbeitsmarktpolitik, die ausgerichtet ist auf eine höhere Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen und Älteren, sowie auf eine Verringerung des Niedriglohnbereichs, unter anderem durch Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, Maßnahmen zur Erleichterung von branchenspezifischen Mindestlöhnen und die Einführung von Equal Pay bei der Leiharbeit.
  2. Je besser die individuelle Ausbildung, desto geringer ist das Risiko im Alter arm zu sein. Deswegen sind Investitionen in eine gute Ausbildung, aber auch die Chance auf lebenslanges Lernen wichtige Elemente im Kampf gegen Altersarmut.
  3. Um Altersarmut von Frauen zukünftig möglichst zu vermeiden, sind auch Investitionen in die Kinderbetreuung und Maßnahmen zur Bekämpfung der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen dringend notwendig.
    Die Einbeziehung weiterer Gruppen in die Rentenversicherung mit der Zielrichtung eine Bürgerversicherung in der Rentenversicherung einzuführen.
  4. Eine bessere Absicherung bei Erwerbsminderung und flexiblere Übergänge in den Altersruhestand zu schaffen.
  5. Die Wiedereinführung und Verbesserung der Zahlung von Mindestrentenbeiträgen für Arbeitslose im ALG II-Bezug und die Ausdehnung auf weitere Gruppen für die diese Beiträge gezahlt werden (SozialhilfeempfängerInnen und ALG I-EmpfängerInnen, wenn für letztere geringere Beiträge gezahlt werden). Ziel ist diesen Gruppen für die Zeiten des Leistungsbezugs einen Rentenanspruch, der den Rentenanwartschaften aus einem Einkommen von 400 Euro entspricht, zu gewähren. Damit soll auch der Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen und Erwerbsminderungsrenten auch für die ALG-II-Beziehenden gesichert werden.
  6. Die Anhebung des Regelsatzes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit sowie beim Arbeitslosengeld II auf ein Niveau, das Teilhabe ermöglicht.

Ziele der Grünen Garantierente

Schutz vor Armut für langjährige Versicherte

Die Rentenbiographien derjenigen, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, sind schon geschrieben. Präventive Maßnahmen allein reichen deshalb nicht mehr aus, um ihre Situation zu verbessern. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie als langjährig Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter in der Regel nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein werden. Wir haben die Bedingungen für den Bezug der Garantierente dabei bewusst so gesetzt, dass sie nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen realistisch zu erreichen sind. Die Garantierente soll zunächst nur für NeurentnerInnen ausgezahlt werden. Damit schaffen wir den Einstieg in eine Rentenversicherung, die verlässlich vor Armut schützt.

Akzeptanz der Rentenversicherung erhöhen

Ein großer Teil der Bevölkerung hat kein Vertrauen mehr in die gesetzliche Rente. Viele fragen sich, ob sie in der gesetzlichen Rentenversicherung noch ausreichend Rentenansprüche erwerben können, um im Alter über ein ausreichendes Einkommen zu verfügen. Dies hat zur Folge, dass sowohl die Bereitschaft Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen als auch zusätzlich privat vorzusorgen abnimmt. Die Säule der privaten Vorsorge ist aber angesichts des sinkenden Rentenniveaus, welches die gesetzliche Rentenversicherung absichern kann, unabdingbar. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Rentenversicherung so ausgestaltet wird, dass sie vor Armut schützt und sich eigene Beiträge lohnen.

Vorgelagerte Sicherungssysteme stärken und verdeckte Armut im Alter vermeiden

Wir wollen die vorgelagerten Sicherungssysteme stärken, um die Zahl der Menschen, die auf Grundsicherungsbezug angewiesen sind, zu reduzieren. Die Garantierente soll bürokratiearm und nicht stigmatisierend sein. Deswegen soll die Garantierente bei der Rentenversicherung angesiedelt sein und der Bezug ohne oder mit maximal einer einfachen Antragstellung erfolgen.

Verdeckte Armut im Alter ist nicht hinnehmbar. Wir wollen, dass alle, die einen Anspruch auf Leistungen haben, diesen auch in Anspruch nehmen. Und wir wollen, dass die Leistungen auch so ausgestaltet werden, dass dies möglich und realistisch ist. Ein Erfolg der unter Rot-Grün eingeführten Grundsicherung für Ältere und Erwerbsunfähige war, dass der Anteil der verdeckt Armen im Alter zurückgegangen ist. Nach einer aktuellen Studie kommen aber immer noch auf eine Person, die Grundsicherung im Alter bezieht, zwei, die zwar einen Anspruch hätten, diesen aber nicht wahrnehmen. Auch deswegen wollen wir die Garantierente einführen.

Ausgestaltung der Grünen Garantierente

Ab 30 Versicherungsjahren werden 30 Entgeltpunkte garantiert

Geringe Rentenansprüche von Rentnerinnen und Rentnern mit 30 und mehr Versicherungsjahren werden durch die Garantierente so aufgestockt, dass die Gesamtrente ein Mindestniveau von 30 Entgeltpunkten erreicht. 30 Entgeltpunkte entsprechen nach aktuellem Rentenwert 842,10 Euro.

Zu den Versicherungsjahren zählen dabei:

  • Beitragszeiten, in denen Beiträge gezahlt werden, also insbesondere bei Erwerbstätigkeit und Bezug von Arbeitslosengeld I und bis zur Abschaffung der Beitragszahlung durch die jetzige Koalition auch Arbeitslosengeld II, bei Kindererziehung in den ersten drei Lebensjahren (für Geburten ab 1992, davor ein Jahr) und seit dem 1. April 1995 Zeiten der Pflege.
  • Bis zu einem Stichtag, und zwar für Geburten vor dem Eintreten des Rechtsanspruchs auf eine U3-Kinderbetreuung, werden auch die Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung bis zum 10. Lebensjahr des jüngsten Kindes bei den Mindestversicherungszeiten mitgezählt.
  • Anrechnungszeiten wie Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen keine Beiträge gezahlt wurden, Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Nichterwerbstätigkeit wegen Schwangerschaft oder Mutterschutz
    Zurechnungszeiten, also die Zeit zwischen dem Eintritt einer Erwerbsminderung und dem 60. Lebensjahr
  • Berücksichtigungszeiten wegen Pflege für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. März 1995

Eigene Ansprüche nicht voll anrechnen

Durch die Einführung einer Garantierente wird das solidarische Element der Rentenversicherung gestärkt. Das ist unser Ziel. Nach 30 Jahren sind 850 Euro garantiert.

Unseres Erachtens lässt es sich nicht gewährleisten, dass diejenigen, die mehr in die Rentenversicherung gezahlt haben, auch durchgängig mehr erhalten. Die Garantierente – die dem Schutz vor Armut und Grundsicherungsbezug dienen soll – müsste so bis in mittlere Einkommensgruppen hinein gezahlt werden. So müsste das Einkommen eines Ehepaares bei einer auf 80 Prozent begrenzten Anrechnung gegebenenfalls bis zu einem Betrag von rund 2.000 Euro aufgestockt werden. Das durchschnittliche gesamte Nettoeinkommen von Rentner-Ehepaaren liegt aber derzeit nur bei rund 2.400 Euro, davon betragen die Alterssicherungsleistungen nur rund 2.200 Euro. Das ist nicht gerecht, verursacht hohe zusätzliche Kosten und engt damit zudem die finanziellen Spielräume für andere sozialpolitische Maßnahmen ein.
Darüber hinaus wollen wir, dass Bürgerinnen und Bürger mit kleinen Einkommen einen Anreiz bekommen, auch bei knapper Kasse in der Erwerbsphase zusätzlich zu den Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung noch Beiträge in einen privaten oder betrieblichen Sparvertrag zu leisten. Sie sollen deshalb 20 Prozent ihrer Renten aus der geförderten privaten Alterssicherung und der betrieblichen Altersvorsorge behalten dürfen. Alle übrigen Einkommen aus der zweiten und dritten Säule sollen auf die Garantierente angerechnet werden. Wer also eine Rente in Höhe von 600 Euro aus der ersten Säule hat und zudem eine Rente in Höhe von 200 Euro aus der zweiten Säule, wird zusätzlich um 40 Euro aufgestockt und hat insgesamt 890 Euro.

Bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften werden zur Berechnung der Garantierente die eigenen Ansprüche zusammengezählt und anschließend halbiert. Die Auszahlung der Garantierente erfolgt individuell, wobei vorrangig bei der Person mit den geringeren eigenen Ansprüchen aufgestockt wird.

Finanzierung der Grünen Garantierente

Die Bekämpfung der Altersarmut ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und muss deshalb aus Steuermitteln finanziert werden.

Zur Finanzierung der Garantierente wird deshalb ein steuerfinanzierter Zuschuss zur Rentenversicherung eingeführt. Dieser beträgt in den ersten Jahren weniger als einer Milliarden Euro. Ohne weitere Maßnahmen könnte der Zuschuss bis 2030 auf bis zu fünf Milliarden Euro ansteigen. Der Anstieg wird durch verschiedene von uns vorgeschlagene Maßnahmen, wie die Weiterentwicklung zu einer Bürgerversicherung sowie die von den Grünen geforderte Wiedereinführung von Mindestrentenbeiträgen für Arbeitslose, mittel- und langfristig begrenzt, weil durch diese Maßnahmen zusätzliche eigene Ansprüche aufgebaut werden. Außerdem wird der Anstieg der Kosten der Garantierente durch die von uns vorgeschlagenen präventiven Maßnahmen außerhalb der Rentenversicherung (siehe oben) deutlich reduziert.

Wenn die Finanzierung der Rentenversicherung über Beiträge verbessert wird, muss im Gegenzug ein geringerer Teil der Ausgaben über Steuern finanziert werden. Diese Mittel wollen wir im System behalten und die damit gewonnenen Spielräume zur Finanzierung der Garantierente verwenden.

Ausblick

Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass strukturelle Defizite des Arbeitsmarktes beseitigt werden. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die die Erwerbsarbeit von Frauen begünstigen und zu partnerschaftlicher Aufteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit anregen. Längerfristige Reformprojekte, wie zum Beispiel die Verwirklichung von eigenständigen Rentenansprüchen von Ehepartnern und eingetragenen LebenspartnerInnen durch ein Rentensplitting oder Schritte in Richtung Bürgerversicherung, werden Einfluss auf die Weiterentwicklung unseres Garantierentenkonzepts haben. So werden durch beide Maßnahmen eigene Ansprüche aufgebaut, was Auswirkungen auf die langfristige Kostenentwicklung der Garantierente hat, und das Rentensplitting würde das allmähliche Abschmelzen von abgeleiteten Ansprüchen, wie zum Beispiel den Witwenrenten, ermöglichen. Diese Auswirkungen wollen wir bei den jeweiligen weiteren Reformkonzepten berücksichtigen, beispielsweise bei der Berücksichtigung von Partnereinkommen in Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften.

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Ein Kommentar zu "Die Grüne Garantierente – Beschluss der Bundestagsfraktion vom 27.11.2012"

  1. Istvan Baran-Kalasz sagte,

    am 29. November 2012 um 16:58

    Wieso ist das möglich das ich nach 44 Jahre Arbeit 460 Euro Rente kriege,wer kann das beantworten!!!