Große Anfrage: Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht
Deutscher Bundestag Drucksache 17/11900 vom 12. 12. 2012
Große Anfrage der Abgeordneten Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Birgitt Bender, Dr. Thomas Gambke, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Dr. Tobias Lindner, Dr. Harald Terpe, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht
Die Bundesregierung muss dem Deutschen Bundestag regelmäßig einmal in der Wahlperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen. Die Analyse von Armut und Reichtum muss hierbei nach Ansicht des Gesetzgebers „in die Analyse der gesamten Verteilung von Einkommen und Lebenslagen eingebettet sein“ (Bundestagsdrucksache 14/999). Darüber hinaus muss die Berichterstattung „über individuelle und kollektive Lebenslagen Aufschluß geben“. In dem Bericht sollte zudem der Frage nachgegangen werden, in welcher Form und in welchem Umfang von Armut betroffene Personen selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln können. Der Bericht sollte besondere Problemgruppen gesondert berücksichtigen.
Der Bericht der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP getragenen Bundesregierung ist schon weit im Vorfeld der Veröffentlichung auf massive Kritik gestoßen, da er der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers nicht genüge. So wurde etwa in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages am 12. Dezember 2011 die neue Schwerpunkt- setzung auf einzelne Lebensphasen (Kindheit, Jugend, frühes Erwachsenenalter usw.) und Möglichkeiten zur Überwindung defizitärer Situationen beanstandet. Personengruppen werden nicht mehr gesondert betrachtet, sondern nur noch dort, wo nach Ansicht der Bundesregierung spezifische Benachteiligungen auftreten (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/9087). Ein solcher Perspektivwechsel verstellt den Blick auf die Ursachen von Armut.
Die neue Schwerpunktsetzung durch die von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP getragenen Bundesregierung führt darüber hinaus zu einer defizitären Darstellung von Armut und Reichtum sowie der Einkommens- und Vermögensverteilung. Erst im Anhang des Berichts wird deutlich, dass das Einkommensarmutsrisiko bei allen vier verwandten Statistiken (die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe – EVS –, die amtliche europäische Statistik zu Einkommens- und Lebensverhältnissen – EU-SILC –, Mikrozensus und SOEP) über die Jahre gestiegen ist (Entwurfsfassung vom 21. November 2012). Von diesem Anstieg sind durchweg Alleinerziehende, Erwerbstätige, Arbeitslose und Kinder betroffen. Von allen Altersgruppen sind die jungen Erwachsenen unter 25 Jahren überpro- portional stark von Armut betroffen. Die Daten belegen zudem in großer Übereinstimmung (EVS, Mikrozensus und das Sozio-oekonomische Panel – SOEP) einen Anstieg des Einkommensreichtums über die Jahre.
Da eine umfassende Analyse im Hauptteil sowie in der Kurzfassung des Be- richts fehlt, erschöpfen sich auch die Botschaften des Berichts zu großen Teilen in einer Aufzählung bereits durch die Bundesregierung ergriffener Maßnah- men, deren unmittelbarer Zusammenhang zur gerechteren Einkommens- und Vermögensverteilung nicht ersichtlich wird. Selbst die wenigen Handlungsempfehlungen in einer Vorversion des Berichts vom 17. September 2012, die eine gerechtere Verteilung zum Ziel hatten, wurden auf Drängen des FDP- geführten Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie herausge- strichen (so der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, im ZDF-Morgenmagazin am 29. November 2012). So sollten etwa branchenspezifische Mindestlöhne durch eine allgemeine Lohnuntergrenze flankiert, der rechtliche Schutz von atypischen Beschäftigungsverhältnissen besser durchgesetzt, die Wirkung des Betreuungsgeldes auf die Erwerbstätig- keit von Frauen evaluiert und die Heranziehung privaten Reichtums für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben geprüft werden.
Zur vollständigen Anfrage: Große Anfrage Armutsbericht [PDF]
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