Fraktionsübergreifende PM: Bundestag entscheidet diese Woche zu Ghetto-Renten
Diese Woche wird der Bundestag darüber entscheiden, ob Holocaust-Überlebenden rückwirkend bis 1997 eine so genannte „Ghetto-Rente“ ausgezahlt wird. Dazu erklären Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer (Grüne), Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Rentenpolitik (Grüne), Anton Schaaf, Sprecher für Rentenpolitik (SPD), Matthias W. Birkwald, Sprecher für Rentenpolitik (Linke), Ulla Jelpke, Sprecherin für Innenpolitik (Linke):
„Wir freuen uns, dass die Koalition bereit ist, am Mittwoch im Ausschuss für Soziales endlich zu einer Entscheidung zu kommen, ob Überlebenden Juden aus den Ghettos rückwirkend bis 1997 die ihnen zustehenden Renten ausgezahlt werden sollen. Viel zu lange schon wird den Menschen ihre volle Rente vorenthalten. Tausende Menschen erleben dies nun nicht mehr. Umso deutlicher wird deshalb der dringende Handlungsbedarf. Deshalb wird am Donnerstag sowohl der Rot-Grüne Antrag auch der Antrag der Linksfraktion im Bundestag zu Abstimmung gestellt, welche die rückwirkende Zahlung der Ghetto-Renten bis 1997 fordern. Jetzt muss schnell gehandelt werden! Die Bundesregierung muss jetzt zügig ein von der gesamten Koalition getragenes Konzept vorlegen, um unserem historischen Willen als Gesetzgeber gerecht zu werden.“
Hintergrund: Die schwarz-gelbe Koalition hat uns zugesagt, diese Woche unseren Antrag im Ausschuss für Soziales abzuschließen. Darauf verlassen wir uns. Mit dem einstimmigen Beschluss des Bundestages von 2002 wollten wir damals mit dem ZRBG (Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) den Überlebenden Rentenansprüche sichern. Das Gesetz sah vor, dass bei einem bis zum 30. Juni 2003 gestellten Rentenantrag Rentennachzahlungen ab Juli 1997 möglich sind. In seiner praktischen Anwendung hat das ZRBG lange nicht zu den vom Gesetzgeber gewünschten Ergebnissen geführt. Von den etwa 70 000 Anträgen ist der übergroße Anteil negativ beschieden worden. Diese Tatsache erklärt sich auch damit, dass bei der Anwendung dieses Gesetzes bei den Trägern der Rentenversicherung Unklarheit bestand, wie die Bedingungen der „Freiwilligkeit“ und „Entgeltlichkeit“, die zwingende Voraussetzungen für die Anerkennung als Beitragszeit nach deutschem Rentenrecht sind, unter den Lebens- und Arbeitsbedingungen in einem Ghetto zu interpretieren sind. Erst nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 2. Juni 2009, wonach die Kriterien „aus eigenem Willensentschluss“ und „Entgeltlichkeit“ – deutlich weiter als zuvor – den Bedingungen in den Ghettos angemessen auszulegen sind, haben die Träger der Deutschen Rentenversicherung sämtliche bis dahin bestandskräftig abgelehnten Fälle erneut überprüft. Von 49 560 durch die Rentenversicherungsträger überprüften Fälle mit ZRBG-Bezug konnten 25 153 positiv beschieden werden. Von dieser Entscheidung sind etwa 22 000 noch lebende NS-Opfer betroffen. Diese Entscheidung widersprach seit jeher dem expliziten Willen des Gesetzgebers!