FR: Garantierente gegen Altersarmut
GASTBEITRAG
Garantierente gegen Altersarmut. Die Schere bei den Alterseinkommen wird in den nächsten Jahren noch weiter auseinanderklaffen.
Von Wolfgang Strengmann-KuhnDie Altersarmut klopft unüberhörbar an der Tür unserer immer noch reichen Republik. Es wäre Zeit, jetzt zu handeln, bevor das Klopfen zu einem Dröhnen wird. Doch statt zu handeln, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Handeln längst eingestellt. Obwohl Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sich in den Talkshows immer wieder als Vorkämpferin gegen Altersarmut in Szene setzte, kam sie über verkorkste Konzepte nicht heraus.
Immer wieder, zuletzt Anfang des Jahres, versprach von der Leyen, dass sie ein Rentenpaket vorlegen werde. Seitdem geschah – wieder einmal – nichts. Die Rentenpolitik dieser Bundesregierung ist ein Totalausfall. Ursula von der Leyen hat vier verlorene Jahre zu verantworten. Dabei sind die Herausforderungen für die Rente immens.
Bei der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 schaut die Bundesregierung tatenlos zu, dass viele Menschen nicht so lange arbeiten können. Die Erwerbsminderungsrente sinkt immer mehr und die Angleichung der Rentensysteme von Ost und West steht aus. Nicht zuletzt haben immer mehr Menschen Sicherungslücken, weil die Rente nicht mit der immer flexibler gewordenen Arbeitswelt Schritt hält.
Die größte und drängendste Herausforderung ist jedoch die Zunahme der Altersarmut. Das sieht man schon an der dramatischen Zunahme der Beziehenden von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit. Die Bezugszahlen dieses unter der rot-grünen Bundesregierung deutlich verbesserten sozialen Auffangnetzes haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Dabei kommen auf eine Person, die diese Leistung in Anspruch nimmt, immer noch zwei, die zwar einen Anspruch hätten, diesen aber nicht wahrnehmen – sei es aus Schamgefühl oder aus Unwissenheit. Das ist nicht hinnehmbar.
Die Schere bei den Alterseinkommen wird in den nächsten Jahren noch deutlich weiter auseinandergehen. Das liegt vor allem an der Situation auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahrzehnten. Die Massenarbeitslosigkeit hat sich nicht nur mit Jobverlusten, sondern auch mit Zeiten der Selbstständigkeit und niedrigen Löhnen in die Rentenbiografien eingeschrieben. Diese Entwicklung lässt sich nicht mehr umdrehen. Für eine vorsorgende Politik ist es für diese Jahrgänge schlicht zu spät.
Deswegen brauchen wir die grüne Garantierente gegen Altersarmut. Wir wollen langjährig Versicherten ein Mindestniveau in der Rente garantieren. Alle Neurentner, die mindestens 30 Jahre Mitglied in der Rentenversicherung waren, erhalten einen Rentenanspruch von mindestens 850 Euro. Durch die Garantierente werden – im Unterschied zu den Konzepten der SPD und der Unionsparteien – zielgenau diejenigen abgesichert, die von Armut bedroht sind. 30 Versicherungsjahre sind auch von Langzeitarbeitslosen und auch von Frauen, die wegen Kindererziehung bei der Erwerbsarbeit aussetzen mussten, realistisch zu erreichen. Von der Garantierente werden deswegen vor allem Frauen profitieren. Die Unionsparteien machen nach vier verlorenen Jahren in der Rentenpolitik wieder vollmundige Versprechungen und fordern die Verbesserung der Erziehungsrenten. Statt ungedeckte Schecks auf die Zukunft auszustellen, haben wir ein durchgerechnetes und ausgereiftes Konzept, das besonders auch den Frauen hilft.
Zudem setzen wir mit der Garantierente auch ein Zeichen an die junge Generation. Wir sagen ihnen, dass sich Vorsorge, dass sich Beiträge in die Rentenversicherung auch lohnen. Im Gegensatz zur Grundsicherung werden betriebliche und private Rente bei der Garantierente nicht voll angerechnet. Das stärkt die Eigenvorsorge. Die Garantierente steht damit der Eigenvorsorge nicht im Weg, sondern befördert diese sogar noch. Davon profitieren letztendlich alle: diejenigen, die von Altersarmut bedroht sind und auch diejenigen, die solidarisch zur Finanzierung beitragen.
Mit der Garantierente schaffen wir einen Einstieg in eine Rentenreform, die nachhaltig vor Altersarmut schützt. Langfristig finanzierbar ist sie jedoch nur, wenn wir schrittweise eine weitere Reform in der Alterssicherung anstreben: die Bürgerversicherung auch in der Rente. Wir wollen, dass alle, und alle in der gleichen Weise, in die Rentenversicherung einzahlen. Dazu wollen wir möglichst bald erste Schritte gehen. So wollen wir, dass auch mit Minijobs in jedem Fall Rentenanwartschaften erworben werden. Die bisher nicht Versicherungspflichtigen Selbstständigen wollen wir sozialverträglich in die Rentenversicherung einbeziehen, und für Arbeitslose sollen wieder Mindestbeiträge gezahlt werden.
Auf diese Weise schließen wir immer mehr Sicherungslücken. Dadurch werden in der Zukunft auch immer weniger Menschen auf die Garantierente angewiesen sein. Ein verlässlicher Schutz vor Altersarmut und umfassende Vorsorge für das Alter sind kein Widerspruch, sondern bedingen und bestärken einander – und zwar im Interesse aller.
Wolfgang Strengmann-Kuhn sitzt seit 2008 für die Grünen im Bundestag und ist der rentenpolitische Sprecher der Fraktion. Der habilitierte Volkswirtschaftler plädiert seit Jahren für ein Grundeinkommen für alle. Er lebt mit seiner Familie in Frankfurt am Main.