OP: „Versäumnisse auf allen Ebenen“. Stichtag zur U3-Betreuung: Aktion der Grünen vor dem Rathaus / Quote in Dreieich liegt aktuell bei 29 Prozent
OP vom 01.08.20
13: Dreieich
„Versäumnisse auf allen Ebenen“
Stichtag zur U3-Betreuung: Aktion der Grünen vor dem Rathaus / Quote in Dreieich liegt aktuell bei 29 Prozent
Von Holger Klemm
An der Aktion vor dem Rathaus beteiligten sich (von links) Vorstandssprecherin Franziska Bechtel und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn sowie Lisa Süß, Kreistagsabgeordnete Sonja Arnold und Vorstandssprecher Ullerich Behrendt (nicht auf dem Bild). © Klemm
Dreieich – Am heutigen 1. August tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren in Kraft. Die Grünen nahmen dies gestern zum Anlass, mit einer Aktion vor dem Rathaus auf Versäumnisse hinzuweisen.
Mit Dreieich wurde eine Stadt ausgewählt, in der die Situation nach Meinung der Umweltpartei nicht gerade rosig aussieht.
Mit dem Transparent „Für mehr Kitaplätze – Hand drauf“ platzierten sich gestern einige Parteimitglieder vor dem Rathaus. „Es waren schon einige Eltern da und fragten, wo sie unterschreiben können“, erzählt der Bundestagsabgeordnete Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn. Doch für Unterschriftenlisten sei es jetzt zu spät. Es müsse gehandelt werden. „Es gibt Mängel auf allen drei Ebenen“, betont Strengmann-Kuhn. Vom Bund sei der Rechtsanspruch verordnet, vom Land verbummelt und von den Kommunen nicht genug getan worden. Alle hätten früher in die Gänge kommen müssen. Zudem würden qualifizierte Fachkräfte händeringend gesucht, weil die Landesregierung bei der Ausbildung jahrelang nichts getan habe.
Die Grünen misstrauen den aktuellen Zahlen, demnach es genügend Plätze gebe. Gerade in Ballungsräumen sei das nicht der Fall. In Hessen würden nach einer Studie des Sozialministeriums 5 000 Plätze fehlen. „Die Landesregierung versucht, sich hinter Rechentricks und einer durchschnittlichen landesweiten Quote von 35 Prozent zu verstecken“, kritisiert Landtagskandidatin Lisa Süß. Das helfe den Eltern vor Ort aber nichts. Die Grünen fordern deshalb einen Betreuungsgipfel von Land und Kommunen, um nach schnellen Lösungen zu suchen. Strengmann-Kuhn kritisiert, dass es in jüngster Zeit nur noch darum gegangen sei, Plätze zu schaffen. Die Qualität sei vernachlässigt worden. Dabei gehe es um die Betreuung von Ein- und Zweijährigen. „Es wäre besser gewesen, die Reißleine zu ziehen.“ Die Kinder müssten im Mittelpunkt stehen. Hinzu komme, dass das Land den Kommunen nicht genügend Geld zur Verfügung gestellt habe.
Auch die Stadt nehmen die Grünen ins Visier. Die im Bau befindlichen 30 zusätzlichen Plätze in der Kita Hegelstraße reichten nicht aus. „Die Stadt hätte kreativer sein müssen“, meint Süß, die auch Stadtverordnete ist. Die Grünen hätten dazu einen Antrag gestellt, um weitere Plätze zu schaffen. Doch dieser sei von der Mehrheit verwässert worden. Es sei zwar schön, einen weiteren Bericht zu bekommen, helfe in der aktuellen Situation aber nicht. Die Direktkandidatin kritisiert außerdem, dass es keine gesicherte Datenbasis gebe. Der Bedarf werde auf jeden Fall höher sein als die anvisierte Betreuungsquote von 35 Prozent. Kritisiert wird auch das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Stadt und Kreis und die Aussage der Stadt, dass eventuelle Klagen den Kreis treffen.
Die Grünen empfehlen abgewiesenen Eltern, auf jeden Fall für ihren Rechtsanspruch einzutreten. Eine Klage könnte zu einer späteren Entschädigung führen. Es sei zwar so, dass Eltern auch im privaten Bereich nach einer Betreuung beispielsweise durch Großeltern suchen. Doch das sollte nicht sein. „Eltern brauchen Planungssicherheit“, fordert Sonja Arnold, Geschäftsführerin der Grünen-Kreistagsfraktion. Nach Angaben der städtischen Pressesprecherin Irene Dietz werden in der Stadt momentan 176 Plätze in der U3-Betreuung angeboten (Stadt 63, freie Träger 113). Die Zahl steige mit der Eröffnung der Kita Hegelstraße im November auf 93 städtische Plätze. Dann gebe es insgesamt 206 Plätze. Die Quote liegt demnach bei 29 Prozent und ab November bei 34 Prozent, einberechnet ist da auch die Tagesbetreuung. Zurzeit leben in der Stadt 705 Kinder, die nach dem 1. September 2010 geboren wurden.
Außerdem werden aktuell 19 Tagesmütter in Dreieich eingesetzt. „Wie viele Kinder diese jeweils betreuen, ist uns nicht bekannt, da der Kreis die Tagesmütter betreut“, betont Irene Dietz. Die Stadt unterstütze das Zenja in Langen und die Tagesmütterzentrale in Neu-Isenburg, die Tagesmütter ausbilden und auch an Eltern vermitteln. Die Stadt sei mit ihnen und dem Kreis im Gespräch, um auch kurzfristig Plätze anbieten zu können. „Es gibt immer Bewegung.“ Deshalb konnte Dietz keine Zahlen zur Warteliste nennen. Die Abstimmung mit den freien Trägern erfolge derzeit. Da sich Eltern bei der Stadt und bei freien Trägern direkt melden, könne momentan nicht gesagt werden, wie viele Kinder in Dreieich keinen Platz hätten.