Antwort auf kleine Anfrage: Die Bundesregierung hat keine Strategie gegen Armut und Obdachosigkeit
Gerade im Umgang mit den finanziell Schwachen und sozial Ausgegrenzten zeigt sich, welchen Sinn für Gerechtigkeit unsere Gesellschaft auszeichnet. Im Jahr 2013 war jeder fünfte Deutsche von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht (Mitteilung des Statistischen Bundesamtes, 16. Dezember 2014). Von Obdachlosigkeit betroffene Menschen werden in der deutschen Gesellschaft besonders ausgegrenzt und leben in extremer Armut. Sie fallen entweder durch rechtliche Lücken im Gesundheits- und Sozialsystem oder können formale Erfordernisse für eine Unterstützung nicht erfüllen. Obdachlose fallen zum Teil in den Zuständigkeitsbereich des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), ein anderer Teil erhält außerdem Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ein den vielschichtigen Problemen, die mit der Obdachlosigkeit einhergehen, angemessenes Fallmanagement sucht man in den Jobcentern jedoch oft vergebens. Die Unterstützung zur Rückkehr in ein geregelteres Leben kann so nicht gelingen. Das liegt auch an strukturellen Problemen, wie beispielsweise bei den Zuständigkeitsfragen oder Datenschutz- und Datenübermittlung zwischen Jobcenter und Sozialamt. Die regionalen Unterschiede in der Versorgungsleistung, besonders zwischen Stadt und Land, sind auch aufgrund einer fehlenden nationalen Strategie gegen extreme Armut groß.
Mit einer kleinen Anfrage wurde der Bundesregierung auf den Zahn gefühlt. Welche Datenlage und welcher Forschungsstand zur Obdachlosigkeit sind Ihr bekannt? Mit einem Seitenblick auf die europäischen Nachbarländer wurde nach einer konkreten Strategie gegen Obdachlosigkeit in Deutschland gefragt.
Die Antworten fallen ernüchternd aus. Cordula Eubel berichtet darüber im Tagesspiegel und zitiert Wolfgang Strengmann-Kuhn folgendermaßen:
„In einem so reichen Land sollten wir es eigentlich hinbekommen, dass kein Mensch auf der Straße leben und betteln muss“, fordert Strengmann-Kuhn.
Ein Problem in der Praxis ist nach Ansicht von Strengmann-Kuhn, dass Obdachlose Leistungen nicht in Anspruch nehmen, die ihnen zustünden – seien es Hartz-IV-Zahlungen oder Hilfen bei der Wohnungssuche. „Mit der Bürokratie kommen viele nicht klar“, sagt er. Für den Sozialexperten ist außerdem unverständlich, dass in Deutschland noch nicht einmal offizielle Daten zur Wohnungslosigkeit erhoben werden – mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen. Auch hier sind viele europäische Nachbarländer deutlich weiter.
In der Antwort auf die kleine Anfrage verweist die Bundesregierung an mehreren Stellen darauf, dass keine Daten und Studien vorlägen. Gleichzeitig heißt es, man sehe keinen Forschungsbedarf. „Die Bundesregierung verschließt die Augen vor der Realität“, kritisiert Strengmann-Kuhn.
Den gesamten Artikel vom 08.03.2015 gibt es auf http://www.tagesspiegel.de/politik/bundesregierung-keine-strategie-gegen-obdachlosigkeit/11475164.html
Die kleine Anfrage gibt es hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803940.pdf
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