Durch die Sitzungswoche des deutschen Bundestags mit Wolfgang Strengmann-Kuhn

von Natalie Pavlovic

Wer wollte eigentlich nicht schon immer mal wissen wie der berufliche Alltag eines Mitglied des Bundestages (MdB) aussieht? Was machen die Abgeordneten eigentlich den ganzen Tag? Diese Frage habe auch ich mir schon des Öfteren gestellt. Glücklicherweise mache ich gerade ein Praktikum bei Wolfgang Strengmann-Kuhn, und kann daher zumindest für einen Teilbereich der politischen Arbeit eines Abgeordneten ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern: die Sitzungswochen in Berlin.
Im Schnitt jede zweite Woche finden sich sämtliche Parlamentsmitglieder in Berlin ein, um vor Ort Bundespolitik zu machen. In der anderen Hälfte der Zeit hält sich der MdB in seinem Wahlkreis auf und erledigt die dort anfallenden Arbeiten, geht zu Terminen und besucht Veranstaltungen, Parteitage etc. Nun aber zur Sitzungswoche.
Um nicht vollends im Termindschungel unterzugehen ist die parlamentarische Woche in eine feste Struktur eingebettet. Arbeitsgruppen und –kreise, Fraktionssitzung, Ausschuss- und Plenartermine finden zu festgelegten Zeiten statt. Um dieses Gerüst herum legen sich in unterschiedlicher Dichte schließlich noch Besprechungstermine mit Mitarbeitern und anderen Abgeordneten, Fachgespräche, Podien, Besuchergruppen, Vorträge etc. Wirft man einen Blick in den Kalender eines MdBs wird man schnell feststellen: ein 12-Stunden-Tag ist keine Seltenheit.

Beginnen wir mit dem ersten Tag der Woche: Montag. Wolfgang reist meist frühmorgens (oft auch schon Sonntag abends) aus Frankfurt a.M. an, um sich vormittags mit seinen Berliner MitarbeiterInnen abzusprechen: Was fällt an? Wo brennt es? Wer erledigt welche Aufgaben? Was steht im Terminkalender? Beispielsweise an diesem Montag fand ab 13 Uhr eine öffentliche Anhörung zu zwei sehr erfolgreich gezeichneten Petitionen statt. Da Wolfgang Mitglied des Petitionsausschusses ist und bei der Petition zur „Einführung einer Finanztransaktionssteuer“ als Berichterstatter fungiert, ist das einer der vielen außerordentlichen Termine, an denen er teilnimmt. In Anhörungen holen die zuständigen MdBs generell fachlichen Rat bei Experten ein oder laden, wie in diesem Fall, die PetentInnen ein, damit diese ihr Anliegen vortragen können. Ist die Anhörung wie heute auch noch öffentlich, ist die Presse mit von der Partie sowie andere Gäste. Fotographen lehnen sich dann mutig über das Geländer der Besuchertribüne, um möglichst jede kleinste Regung im Saal festzuhalten. Die anderen Zuschauer können sich derweil von der Tribüne herab einen Einblick in die Arbeit des Ausschusses verschaffen.
Später an diesem Nachmittag trifft sich Wolfgang noch mit der grünen Arbeitsgruppe „Arbeit und Soziales“. Fünf soziale Fachpolitiker der insgesamt 68 grünen MdBs erarbeiten hier in kleinem Kreise weiteres Vorgehen wie z.B. Anträge, Anfragen, Positionspapiere die die Bereiche Arbeit und Soziales betreffen. Da diese politischen Initiativen mit der restlichen Fraktion abgestimmt werden müssen, wandern die Initiativen nach Einigung in einen der 5 fraktionsinternen Arbeitskreise, die immer Dienstags stattfinden. Wolfgang ist Mitglied im AK 1. Dieser befasst sich mit den Themen Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Rente, Gesundheit & Pflege, Haushalt, Kommunen und dem Aufbau Ost. Übrigens ist dieser Arbeitskreis der größte der grünen Fraktion. Hier werden von insgesamt 19 grünen Abgeordneten die einzelnen politischen Initiativen debattiert und einer eingehenden Prüfung unterzogen. Beispielsweise wird die Finanzierbarkeit politischer Initiativen unter die Lupe genommen. Hier ist also noch Raum für Korrekturen und fruchtbare Anregungen. Am Nachmittag dieses Tages tritt schließlich die gesamte Fraktion zusammen, also alle 68 grünen Abgeordneten. Ich sitze ganz hinten im Saal mit einer Reihe anderer Fraktions-Externer. Meist MitarbeiterInnen oder eben auch PraktikantInnen wie ich. Mehrere Bilder zieren die Wände im süd-west-Flügel des Reichstagsgebäudes. Darunter eines von Petra Kelly oder sehr alte grüne Wahlplakate die an längst vergangene Zeiten erinnern. Die Atmosphäre im Raum wirkt ziemlich entspannt. Die Vorsitzenden Jürgen Trittin und Renate Künast versuchen die Parteikollegen bei Laune zu halten, ab und zu witzelt jemand um die Stimmung zu lockern. Das ist auch nötig, denn das Treffen dauert 3 Stunden, ein dutzend Tagesordnungspunkte. Dafür braucht man ordentlich Sitzfleisch.
In der Fraktionssitzung, kurz Frasi genannt, wird nun über anstehende Plenardebatten diskutiert, die grünen Redebeiträge dieser Woche und insbesondere über die vorher in den AGs und AKs erarbeiteten politischen Initiativen, Anträge und Positionen, diskutiert und abgestimmt.
Die Frasi ist die Stelle die die erarbeiteten Inhalte für die fraktionsübergreifende Parlamentsarbeit freigibt. Das meint hier vor allem die Arbeit in den Ausschüssen und das Plenum des Bundestages. Neben dem Petitionssauschuss sitzt Wolfgang noch im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Hier sind jene MdBs vertreten, die fraktionsintern der AG „Arbeit und Soziales“ angehören. Klar, denn nur durch die Spezialisierung auf Themen und nach Absprache innerhalb der Fraktion, kann hier richtig und fundiert gearbeitet werden. Die Ausschusssitzungen finden immer Mittwochs statt. Es treffen sich nun die für die jeweiligen Themengebiete zuständigen Abgeordneten aller Fraktionen. Da hier die selben Mehrheitsverhältnisse bestehen wie im Parlament werden die grünen Anträge in der Regel abgelehnt. Hier wird auch über die anstehenden Gesetzesvorhaben der Bundesregierung diskutiert und abgestimmt. Dazu kommt stets ein Parlamentarischer Staatssekretär des jeweils zuständigen Ministeriums zu Besuch, um Bericht zu einzelnen Themenbereichen zu erstatten. Die Parlamentsmitglieder über die Haltung der Bundesregierung zu unterrichten, ist eine zentrale Säule unserer deutschen parlamentarischen Demokratie und spiegelt sich in solchen Handlungen wieder. Aber auch Externe werden immer wieder eingeladen. So beispielsweise vor zwei Wochen. als Vertreter der Bundesagentur für Arbeit die Ausschusssitzung besuchten, um den Mitgliedern über Arbeitsmarkt und Haushaltsplanung der BA zu berichten.
Am frühen Mittwoch Nachmittag beginnt schließlich die Plenardebatte mit Fragestunde, Regierungsbefragung sowie aktueller Stunde zu ganz unterschiedlichen Themen. Auch an Donnerstagen und Freitagen richtet sich der Blick in der Hauptsache aufs Plenum. An diesen Tagen werden Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sowie die Anträge der Oppositionsparteien in erster, zweiter und dritter Lesung beraten und letztendlich abgestimmt. Als Praktikantin darf ich dies leider nur von der Tribüne aus anschauen, denn den Plenarsaal dürfen ausschließlich Abgeordnete und einzelne Saaldiener betreten. Während des Plenums hält auch Wolfgang des Öfteren eine Rede. Normalerweise sprechen die einzelnen Abgeordneten über ihre speziellen Themengebiete, bei Wolfgang sind das vor allem Rente, Altersarmut und Alterssicherung. Bei Themenüberschneidung bzw. wenn mehrere MdBs Sprechzeit möchten, wird ganz demokratisch in der dienstäglichen Fraktionssitzung hierüber abgestimmt. Zwischen all diesen festen Terminen gibt es natürlich wie bereits erwähnt, noch so einiges mehr für Wolfgang zu erledigen. Mal kommt eine Besuchergruppe in den Bundestag, die selbstverständlich auch den Abgeordneten treffen möchte. Des Weiteren kommen allwöchentlich unzählige Einladungen zu diversen Podiumsdiskussionen, Vorträgen, Kongressen, Besprechungsterminen mit anderen MdBs usw.. Abgesehen von Partei- und Öffentlichkeitsarbeit sollte ein Abgeordneter auch selbst immer auf dem neuesten Stand sein und wissen was allgemein so passiert in der Welt und der Republik, vor allem aber was seine/ihre spezifischen Themengebiete anbelangt. Wolfgang nimmt auch diese Arbeit sehr ernst. Viel Freizeit bleibt da nicht.
Am Freitag Abend verlassen dann die meisten Abgeordneten wieder Berlin, um in ihre Wahlkreise zu reisen. Auch Wolfgang fährt dann zurück nach Frankfurt, um dort in der Woche darauf aber auch am Wochenende unterwegs zu sein. Und hier in Berlin kehrt ein wenig Ruhe ein, auf den Fluren des deutschen Bundestags. Bis zur nächsten parlamentarischen Sitzungswoche.