Wer über Freiheit redet, darf über Armut nicht schweigen
Hartz IV ist das Gegenteil von Freiheit. Wir brauchen einen neuen Ansatz: eine Grundsicherung, die ohne Zwang auskommt. Ein Gastbeitrag von Wolfgang Strengmann-Kuhn, sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen.
Je länger wir Grünen nur abstrakt über den Freiheitsbegriff reden, desto mehr besteht die Gefahr, dass er blutleer wird. Wenn ich für mehr Freiheit streite, geht es mir nicht um philosophische Debatten, sondern darum ganz konkret unfreie Menschen freier zu machen.
Wer über Freiheit redet, darf über Armut nicht schweigen. Hartz IV ist das Gegenteil von Freiheit. Die Menschen werden gegängelt und sie erhalten nicht mal das, was ihnen zusteht. Wir brauchen hier einen ganz neuen Ansatz: eine Grundsicherung, die ohne Zwang auskommt. Ein Grundrecht auf Unterstützung statt Almosen für Hartz-IVler. Das ist eine Vorbedingung für die Freiheit nicht nur der Ärmeren, sondern für die Freiheit aller. Solange man sich nicht auf das unterste soziale Netz verlassen kann, sind alle im Hamsterrad des Wettbewerbs von allen gegen alle gefangen. Daraus müssen wir ausbrechen. Das ist für mich ein zentraler Bestandteil des grünen Freiheitsverständnisses, den ich bei vielen Beiträgen zur grünen Freiheitsdebatte vermisse. So wichtig zum Beispiel digitale Bürgerrechte sind: ich bin nicht frei, so lange nicht gesichert ist, dass ich genug zum Leben habe. Existenzängste machen unfrei: Angst essen Seele auf. Dazu hat auch Hartz IV beigetragen. Je größer das Risiko ist, ohne ausreichende Absicherung arbeitslos zu werden, desto größer ist die Abhängigkeit von dem jeweiligen Arbeitgeber. Hier müssen wir Druck aus dem Kessel nehmen.